Nina Hagen ist heimgekehrt in die christliche Gemeinde und singt neuerdings Gospel. Auch heute in St. Petri

Hauptkirche St. Petri. Von ihr erwartet man alles, nur nicht das Naheliegende. Nina Hagen ist nach allerlei Irrfahrten des Glaubens scheinbar doch noch bei sich angekommen. Nach Jahren spirituellen Trainings in indischen Erleuchtungslagern und Ufo-Beschwörungen hat sie sich auf eine Begegnung mit Gott besonnen. Im vergangenen Jahr hat sie sich taufen lassen. Jetzt ist Punkröhre Nina Hagen Protestantin.

Die neue, unerschütterlich zementierte Glaubensrichtung findet Eingang in ihre Kunst. "Personal Jesus" lautet der Titel ihres inzwischen 16. Albums. Eine doppelte Anspielung. Denn einerseits enthält das Album Gospelsongs. "Gospel ist die musikalische Verkündung der frohen Botschaft", sagt die Hagen. Den Gospelauftrag soll ihr die Godmother des Genres, Mahalia Jackson per Telefon aus dem Jenseits eingeflüstert haben. Andererseits deutet schon der Titel auf den legendären Gitarrenblues aus Depeche Modes 90er-Jahre-Werk "Violator" hin. Damals hatte die Popband wenig Religiöses im Sinn. Ungleich spiritueller gelang die um Rettung flehende Coverversion des großen Johnny Cash. Nun arbeitet sich auch die Hagen an ihrem "Personal Jesus" ab. Sie tut das ganz ohne Verzweiflung. Mit einem messianischen Eifer, der manchen Respekt abringt, andere als neuerliche Neurose der Exzentrikerin nervt.

Die Musik kündet tatsächlich wenig von Besinnung und Innerlichkeit, sie erwarte das "finale Highlife bei Gott" und die "Fete der Ewigkeit", sagt Nina Hagen. Das ganze Album feiert eine Symbiose von Punk und Christentum. Voll niedlich plärrender Countrygitarren, Banjo und Pedal Steel Guitar. Mit breitem Südstaatenakzent und geballter Euphorie freut sich die Hagen über "Just A Little Talk With Jesus". Ihr berüchtigtes kehliges "R" lässt sie nur noch selten rollen, gleichsam als Zitat.

Im schwermütigen Blues "Mean Old World" lässt sie ihren bekannten Schmirgelpapieralt das Übel der Welt anprangern. Das tut sie auch sehr explizit in Woody Guthries "All You Fascists Bound To Lose" oder im Brecht-Eisler-Stück "Im Gefängnis zu singen". Da heißt es "Sie haben Pfaffen und Professoren, die viel Geld bekommen und zu allem bereit sind. Ja, wozu denn? Müssen sie denn die Wahrheit so fürchten?"

Obrigkeiten aller Art sind der Diva, die stets klare Feindbilder in ihrem Leben hatte, suspekt. Die Hagen-Theologie fußt auf einer klaren Logik: "Du sollst nicht töten und deinen Nächsten lieben als dich selbst. Was ist daran so schwer zu verstehen?" Außerdem gelte es, Staat und Kirche zu trennen, damit nicht "irgendwelche Faschisten das Gute unterwandern können".

Passend zur frischen Gesinnung hat Nina Hagen kürzlich in einem Gottesdienst am Ewigkeitssonntag (21. November) in Berlin über den Tod gesprochen. Nein, Angst habe sie keine vor dem Tod, Angst müsse man vor ganz anderen Dingen haben. Und dann rollte sie das Feld der aktuellen politischen Großbaustellen von hinten auf. Thema verfehlt, urteilten da Besucher. Egal.

Die Hagen hat Rettung für ihr Seelenheil gefunden, und das sollen nun auch alle wissen. Derzeit tourt sie mit einer Akustikband durch die adventliche Republik. Von ihren Auftritten in Berlin wird kolportiert, dass man sie selten so unaufgeregt erlebt habe. "Rock 'n' Roll belongs to Jesus!" Mit schwarzem Tüllrock und rosa Krone im Haar plaudert sie zwischen den Songs Anekdoten aus ihrer Biografie. Die Hamburger Gemeinde hat an diesem Mittwoch Gelegenheit, in der Hauptkirche St. Petri der schrägen Punk-Priesterin zu lauschen.

Nina Hagen & Band unplugged: Mi 1.12., 21.00, Hauptkirche St. Petri (U Rathaus), Speersort 10, Karten 37,63 in allen Abendblatt-Ticketshops und unter der Ticketline T. 30 30 98 98; www.beepworld.de/members77/ninahagendas