Melissa Auf der Maur spielte knüppelharten Rock, dem ihr überwiegend männliches Publikum am liebsten auf Knien zugehört hätte.

Hamburg. Manche Männer beneiden dieses Instrument. Wenn Melissa Auf der Maur ihren Bass spielt, dann, so sagt sie, habe sie "dasselbe Gefühl wie bei der Vereinigung mit einem anderen Menschen". Der eigens für sie kreierte Fender-Bass scheint eine XXL-Version zu sein, wirkt aber in ihren Händen vielleicht auch nur deshalb so mächtig, weil sie selbst so zierlich ist. Bei ihrem Konzert im Knust am Sonnabend stand der Bass, von zwei Gitarren flankiert, im Mittelpunkt. Und Auf der Maur agierte nicht als stoische Rhythmusgeberin im Hintergrund, sie arbeitete sich an ihrem Instrument ab. Immer wieder riss sie es hoch und wirbelte dazu ihre rote, lockige Mähne. Orgiastisch, energetisch, erotisch.

Sechseinhalb Jahre war die Kanadierin nicht mehr in Hamburg aufgetreten. Damals präsentierte sie, ebenfalls im Knust, ihr erstes Soloalbum. Fast genauso lange hat sie gebraucht, bis der Nachfolger "Out Of Our Minds" in diesem Jahr endlich fertig wurde. Den Wechsel vom großen Capitol/EMI-Label in die selbst gewählte Unabhängigkeit sowie ein aufwendiges Multimedia-Projekt zu "Out Of Our Minds" gibt sie als Grund für die lange Pause an.

Aus den Songs des neuen Albums besteht der Großteil des 90 Minuten langen Auftritts. In ihren Texten beschäftigt sich die Musikerin aus Montreal mit untergegangenen archaischen Welten und Traumlandschaften. Der Titelsong ist so ein Trip zurück in die eigene Erinnerung, mitten hinein in die frühzeitliche mythische Welt der Wikinger. Auf der Maur glaubt an universelle Verbindungen durch Träume.

Bei aller Esoterik klingt ihre Musik kein bisschen nach New Age, sondern knallt als knüppelharter Rock aus den Lautsprecherboxen. Ihre überwiegend männlichen Fans nicken zu den schweren Rhythmen vorsichtig mit den Köpfen. Man wird das Gefühl nicht los, dass viele den Auftritt am liebsten auf den Knien erleben würden - sie beten diese Frau an.

Doch zur Göttin taugt Melissa Auf der Maur nicht, dafür ist sie viel zu geerdet. Sie versucht mit dem Publikum zu kommunizieren und erzählt, wie sie in ihrem Bus direkt neben dem Hochbunker an der Feldstraße aufgewacht ist und reibt sich immer noch die Augen angesichts des Winterdoms in unmittelbarer Nachbarschaft. "Ihr seid zu beneiden. Vielleicht sollten wir dort anschließend noch hingehen", schlägt sie vor. Positive Resonanz des Publikums bleibt jedoch aus. Eine Rockgöttin gehört nicht auf den Dom - was sie als Kanadierin natürlich nicht wissen kann.

Nach einer Stunde schickt Melissa Auf der Maur ihre Band von der Bühne. Sie möchte mit Glenn Danzig allein sein. Der Sänger mit der tiefen Stimme und dem Körper eines Bodybuilders kommt zwar nur vom Band, auch die Musik ist eine Playback-Aufnahme, doch Melissa Auf der Maur möchte den mit ihm eingespielten Song "Father's Grave" unbedingt live präsentieren. Danzig ist das vierte ihrer Sänger-Idole, mit dem sie bisher zusammengearbeitet hat. Die anderen sind Mark Lanegan (Screaming Trees), Billy Corgan (Smashing Pumpkins) und Josh Homme (Queens Of The Stone Age). Fehlt nur noch Morrissey. "Ich bin zu scheu, um ihn zu fragen", sagt sie.

Doch nicht nur für den Smiths-Sänger empfindet die Bassistin, deren Musiker-Karriere Mitte der 90er-Jahre bei Courtney Loves Band Hole begann, tiefe Verehrung. In einer langen Zugabe spielt sie mit ihrer Band "When The Music's Over" von den Doors. Die langsame Rocknummer taugt als Rausschmeißer für jedes Konzert, doch hier ist sie eine tiefe Verbeugung vor Jim Morrison, diesem außergewöhnlichen und früh verstorbenen Sänger. Den Sex, den Morrison transportieren konnte, besitzt auch Auf der Maurs Stimme. Es muss nicht immer die Bassgitarre sein.