Hamburg. Es wäre ein nettes Barockprogramm gewesen: ein paar Arien, immer schön abwechselnd zwischen virtuos und innig und garniert mit ein paar Instrumentalwerken. Nett und harmlos - wenn nicht der Sänger Philippe Jaroussky geheißen hätte und das Orchester dazu Concerto Köln.

Der Große Saal der Laeiszhalle war erstaunlicherweise nicht ausverkauft, aber der Stimmung tat das keinen Abbruch. Vom ersten Ton an schlug der gefeierte französische Countertenor mit der schwebenden, bruchlosen Schönheit seines Timbres und der vollendeten Natürlichkeit, mit der er Opernarien des einstigen Wiener Hofkomponisten Antonio Caldara darbot, die Hörer in seinen Bann.

Mehr noch: Jaroussky brachte es fertig, die intimsten musikalischen Momente mit den Hörern auch in der hintersten Saalreihe zu teilen. So makellos seine Stimmtechnik - die größte Begeisterung entfachte er nicht mit den funkelnden Koloraturen, sondern an den ganz schlicht gesetzten Stellen, dort, wo nur die Tiefe der Empfindung zählte. Hier traf einen ein Vorhalt ins Mark und dort ein ins scheinbar Unendliche gedehnter Spannungsbogen.

Mit den Instrumentalisten pflegte er die schönste Kammermusik, vom Theorbisten, der die paar Töne für die Übergänge so ergreifend setzte, bis zur Zwiesprache mit den Geigen. Nicht alle hohen Stellen im Tutti gerieten blitzsauber, und die Saalakustik zeichnet alte Instrumente allzu weich. Doch dafür entschädigten Farbigkeit und Lebendigkeit, auch in den eingestreuten Concerti und Sinfonien von Zeitgenossen und Landsleuten Caldaras.

Dass Jaroussky sich noch lange nicht verausgabt hatte, zeigte er in einer wahren Zugaben-Session: Gleich vier zog er aus dem Ärmel, natürlich alle von Caldara. Mit seinem letzten Ton trat er ab, winkte und überließ das Podium dem Orchester, das sich für die letzten Töne in einen Chor verwandelte. Nur schade, dass man sie nicht hören konnte - sie gingen im Jubel unter.