Zwei Livemitschnitte auf CD und DVD erinnern an den legendären Metalsänger Ronnie James Dio

"Ich kann es immer noch nicht fassen, ein unglaublicher Verlust!" "Habe einfach nur geweint, als ich die Nachricht im Radio hörte." "Mir fehlen die Worte." Internetforen und Leserbriefseiten wurden zu globalen Klagemauern, als mit Ronnie James Dio im Mai dieses Jahres der wohl bedeutendste Heavy-Metal-Sänger 67-jährig seinem Krebsleiden erlag. Auf Festivals wurden Schweigeminuten eingelegt, Rockmagazine druckten seitenlange Nachrufe. Weltweit fanden Erinnerungskonzerte statt, und beim Wacken Open Air gab es ein limitiertes Dio-Shirt zu kaufen, das reißenden Absatz fand.

Verdient hatte der kleine Mann mit der großen Stimme diese posthumen Ehrungen allemal, wären einige der ewigen Metalklassiker ohne ihn doch nie entstanden. Ob mit Rainbow oder Black Sabbath, ob unter eigenem Namen oder mit Heaven & Hell: Ronnie James Dio zog mit seiner unfassbaren Energie Millionen Fans in den Bann. Seine stärksten Songs aufzuzählen ist kaum möglich, so viele sind es, aber einen guten Überblick bieten jetzt zwei Veröffentlichungen, die nicht nur für jeden Dio-, sondern generell für jeden Rock- und Metalfan absolute Pflichtkäufe sind. Auch wenn in deren Regalen die zahllosen Studio- und Live-Alben, die in den vergangenen 38 Jahren veröffentlicht wurden, eigentlich schon stehen sollten.

Da ist zunächst "At Donington UK: Live 1983 & 1987". Ein Adrenalin-Overkill, aufgenommen beim Monsters-of-Rock-Festival, auf dem der Erfinder des Pommesgabel-Grußes Hymnen wie "Holy Diver", "Stargazer", "Neon Knights" oder "Long Live Rock 'n' Roll" mit einer Energie zelebriert, die einen fassungslos auf die Knie sinken lässt. "Werden wir jemals wieder einen Sänger dieser Klasse erleben?" wird - natürlich rhetorisch - im mit historischen Fotos bebildeten Booklet gefragt. Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht. Was diese Dokumente umso bedeutsamer macht.

Auch den parallel auf CD und DVD veröffentlichte Mitschnitt des Heaven & Hell-Konzerts beim Wacken-Festival 2009. Es war ein kühler Donnerstagabend, als Ronnie James Dio, Tony Iommi, Geezer Butler und Vinny Appice die "True Metal Stage" bestiegen und sich durch eine Setlist aus Sabbath-Klassikern und neuerem Heaven & Hell-Material spielten, während über ihnen brennende Büffelschädel-Modelle das Areal illuminierten.

Eine denkwürdige Nacht, in der Iommi mit seinen Hammerriffs die 70 000 vor der Bühne hypnotisierte und Dio sich in immer neue stimmliche Höhen schraubte. Wer damals dabei war, hatte nicht nur das vage Gefühl, sondern spürte mit jeder Faser, dass hier ein legendäres Konzert, von dem noch in Jahrzehnten gesprochen werden würde, seinen Lauf nahm. Die einen lauschten ergriffen, andere reckten die Arme in die Luft; beides passte. Ein Metal-Moment für die Ewigkeit, auch wenn Dios Frau und Managerin Wendy erst knapp drei Monate später offiziell bekannt gab, dass ihr Mann an Magenkrebs erkrankt sei.

"Neon Knights - Live At Wacken" überzeugt durch exquisite Bild- bzw. Tonqualität und hat selbstverständlich einen besonderen historischen Wert, weil danach kein Konzert mit Dio mehr gefilmt wurde. Vor allem aber ist dies wie die Donington-Doppel-CD, rein musikalisch betrachtet, ein Weltklasse-Mitschnitt, der in einer Liga mit Deep Purples "Made In Japan" oder Status Quos "Live" spielt, nein, stellenweise diese Klassiker sogar noch toppt. Auch dank einiger der DVD beigefügten Interviews, die Geschichtsstunde und Hommage zugleich sind.

"Es ist ein Teil der Szene weggebrochen, der nicht zu ersetzen sein wird", schrieb das deutsche Fachmagazin "Rock Hard", und tatsächlich: Welch stimmgewaltigen Magier die Metal-Gemeinde durch den Tod von Ronnie James Dio verloren hat, zeigen diese Veröffentlichungen mit schmerzhaft schöner Deutlichkeit. An den (virtuellen) Klagemauern der Rock- und Metalwelt dürfte noch auf längere Sicht reger Betrieb herrschen.

Dio: At Donington UK: Live 1983 & 1987: (Niji Records/Sony) Heaven & Hell: Neon Knights - Live At Wacken: CD bzw. DVD (Armoury Records/Edel); www.ronniejamesdio.com