In “Der demokratische Terrorist“, zwölfter und letzter Band der Abendblatt-Krimibibliothek, ermittelt ein schwedischer Agent im 007-Stil auf St. Pauli

Der Tod kommt auf leisen Rädern. Anfangs zuckelt der schwerfällige Bierwagen noch ganz harmlos die Hamburger Straßen entlang, vorbei an den Villen der Elbchaussee, die sanft vor sich hinzudösen scheinen. Als aber sein Inhalt samt der Bundeswehr-Führungsakademie in Blankenese explodiert, sind die Rauchwolken in der gesamten Stadt zu sehen - und der Anschlag wird eingehen als einer der schlimmsten seiner Art in die Geschichte des westdeutschen Terrorismus.

Dem Bekennerschreiben nach handelt es sich bei den Tätern um einen verspäteten Ableger der Roten-Armee-Fraktion. Als der Hamburger Senat noch am selben Nachmittag zusammentritt, ist die Haltung der Minister einstimmig: Im Kampf gegen den Terrorismus gelte es nun, mit aller Kraft zurückzuschlagen. Um jeden Preis.

Mit diesem Szenario beginnt Jan Guillous Spionage-Thriller "Der demokratische Terrorist", der 1987 in Schweden und 1990 auf Deutsch erschien. Der Roman gehört zur sogenannten Coq-Rouge-Serie um den schwedischen Geheimagenten Carl Hamilton, die insgesamt elf Bände umfasst, in 15 Sprachen übersetzt wurde und sich millionenfach verkauft hat. Guillou rechnet darin systematisch mit dem schwedischen System ab, bettet seine Kritik allerdings geschickt ein in eine spannungs- und aktionsreiche Handlung.

In "Der demokratische Terrorist" entwirft er ein klug komponiertes, breit gefächertes Panorama. Da sind die Beamten von Verfassungsschutz und BKA, die sich aufreiben zwischen dem Abhören konspirativer Gespräche mutmaßlicher Terroristen und der Observation verdächtiger Treffpunkte, etwa dem italienischen Szene-Restaurant Cuneo in der Davidstraße. Da sind auf der anderen Seite die Mitglieder zweier versprengter Terroristengruppierungen, bei denen jede geplante Aktion in markschreierischen Grundsatzdebatten und handfeste Auseinandersetzungen ausartet. Und schließlich ist da jener Mann, der chamäleongleich die Seiten wechselt, der das Vertrauen all dieser Menschen gewinnen muss und dabei nicht weniger als seinen Kopf riskiert: Agent Carl Gustav Gilbert Graf Hamilton. Codename: Coq Rouge.

Man muss sich Hamilton als entfernten Verwandten von James Bond vorstellen, als seinen skandinavischen Bruder im Geiste. Mit ihm teilt Guillous Protagonist nicht nur das Nomadendasein und den Hang zum Draufgängertum, sondern auch die Vorliebe für gute Drinks und stilvolle Kleidung.

Ähnlich wie der ungerührte 007 hält es auch der Schwede Hamilton mit dem Motto: Sag niemals nie. Kein Wunder, dass man ihn, der eine Topausbildung in der US- Marine genossen hat, für jene heikle Mission in Deutschland ausgeguckt hat: Hamilton soll sich undercover bei den Terroristen im schmuddeligen Hafenstraßenmilieu einschleusen und den deutschen Beamten einen Coup ermöglichen: die Unterwanderung und Aushebelung ebenjener Terroristenzellen.

Hamilton ist der Mann mit Mut zum Risiko. Der Mann für besondere Aufgaben. Einer, der noch nicht glatt geschliffen und zurechtgestutzt ist von seinem Beamtendienst beim Sicherheitsdienst Stockholm und auch mal Fünfe gerade sein lässt. Nicht nur ist er adeliger Herkunft, millionenschwer und ein Liebhaber von Mozarts Sinfonien, er ist auch ein veritabler Gentleman der alten Schule: einfühlsam, charmant, wortgewandt. Was den Frauen nicht verborgen bleibt. Hamilton ist ein Menschenfänger, das macht ihn so gut und so gefährlich. Seinem schwer durchschaubaren Charakter verdankt der Roman einen Großteil seiner Spannung.

Hamilton jedenfalls mietet sich ein in ein schäbiges Hotel an der Reeperbahn, raubt sich durch mehrere mit den Behörden abgesprochene Banküberfälle "gesellschaftsfähig", zettelt eine blutige Kneipenschlägerei an und erregt so das Aufsehen der Terroristen.

Diese brauchen den Schweden, weil ein Anschlag auf die amerikanische Botschaft in Stockholm bevorsteht - und entführen ihn kurzerhand. Mit der Zeit kommt Hamilton den Gesuchten jedoch näher, als ihm und seinen Auftraggebern lieb sein kann.

Für seine Recherche hat Jan Gulliou, der ironischerweise einst selbst wegen Spionage zu einem Jahr Haft verurteilt wurde, mit kompetenten Geheimdienstlern gesprochen. Unter anderem auch mit dem damaligen Hamburger Verfassungsschutzchef Christian Lochte, dem er im Roman unter dem Namen Loge Hecht ein Denkmal setzte, indem er ihn als smartesten Terroristenjäger weit und breit porträtierte. Lochte habe ihm detailliert erklärt, so Guillou in einem Interview, wie bei uns "Illegales legal gemacht werden kann". Auch durch seine glaubwürdige Mischung aus Fakten und Fiktion besticht "Der demokratische Terrorist".

Das Tempo ist, wie es sich für einen hochkarätigen Thriller gehört, durchweg hoch - auch wenn sich die Spannung mit zunehmender Seitenzahl deutlich steigert. Das letzte Drittel ist pure, adrenalinpeitschende Action, die ihren Höhepunkt mit dem Eingriff der Elitetruppe GSG 9 findet. Ein Eingriff "schwedischer Manier", was salopp gesagt bedeutet: erschießen statt verhaften. Guillou, der vor seiner Karriere als Romanschriftsteller als Kriminalreporter tätig war, steht in der Tradition politisch brisanter Agentenkrimis von John Le Carré sowie der sozial relevanten Schwedenkrimis, wie sie das Duo Sjöwall/Wahlöö zu seinem Markenzeichen und Henning Mankell zu Bestsellern gemacht haben.

"Der demokratische Terrorist" wurde 1992 unter diesem Titel unter anderem im Hamburger Hafenstraßenviertel verfilmt mit Stellan Skarsgard als Hamilton, Susanne Lothar als Terroristin, Ulrich Tukur als Staatsschützer. Regisseur Pelle Berglund bleibt dicht an der Buchvorlage und dicht an dem wortkargen, lakonischen Superagenten, dem seine Undercover-Aktion kurzzeitig aus dem Ruder zu laufen droht, der aber, wenn es darauf ankommt, seinem untadeligen Ruf alle Ehre bereitet. Manchmal braucht es eben einen Mann wie Carl Hamilton.