Cameron Carpenter tritt die Pedalen schneller als seinen Schatten

Hamburg. Die frisch gereinigte Schöne musste sich beißenden Spott gefallen lassen. Cameron Carpenter fällte sein Urteil über die Orgel der Laeiszhalle mit größtmöglichem Charme, aber vernichtend blieb es trotzdem. Den vielen Zuhörern, die zu seinem Antrittskonzert in die Laeiszhalle gekommen waren, gratulierte er zur Orgel - allerdings zur neuen, die eines Tages in der Elbphilharmonie stehen wird. Und dann legte er los. Es sei das Dilemma des reisenden Organisten, dass er beim ersten Auswärtsspiel nicht wisse, welches Instrument ihn erwartet, während Geiger und Flötisten ihr Instrument immer bei sich haben: ein Unterschied wie der zwischen einer 25-jährigen Ehe und einem One-Night-Stand. "Es ist noch dazu ein Blind Date, und diese Orgel hier und ich, wir mögen uns nicht besonders." Den Titel seiner Transkription eines Klavierwerks von Franz Liszt widmete der amerikanische Topvirtuose der Laeiszhallenorgel: "Les funérailles" - das Leichenbegängnis, hier wohl auch: das Trauerspiel.

Ehe er sich mit zwei schwindelerregend beinintensiven Zugaben auf Nimmerwiedersehen von dem Instrument verabschiedete, gab Carpenter sich redlich Mühe, das Beste aus den begrenzten Möglichkeiten der 1951 gebauten Orgel rauszuholen. Er spielte viel Bach, wobei seine stupende Virtuosität eher ansatzweise zum Vorschein kam. Bei Musik von Rachmaninow, Dupré, Mettner und drei Improvisationen über Themen seines Stücks "Der Skandal", das am Neujahrstag in Köln uraufgeführt werden wird, funkelte Carpenters Spiel schon fast so sehr wie seine Outfits.

Äußerlich muss man sich den Mann als eine Mischung zwischen Liberace und Lucky Luke vorstellen. Ein hübscher, glitzernder Showman, der die Pedale schneller tritt als sein Schatten. Das Publikum war entzückt und dürfte, sollte eine gewisse Orgelhalle an der Elbe eines Tages fertig werden, in echte Carpenter-Ekstase geraten.