Herbie Hancock und Band überzeugen trotz falscher Sängerin

Hamburg. Immer noch steckt in ihm ein Spielkind, ein Bastler, ein Tüftler. Herbie Hancock, im April 70 geworden, sitzt Kaugummi kauend an einem seiner elektronischen Keyboards auf der Bühne der ausverkauften Laeiszhalle und lauscht lustigen Sounds wie aus dem Pleistozän der Synthesizergeschichte hinterher. Hat er sich diese innere Unschuld wirklich bewahrt? Oder übt er sie täglich in seinen buddhistischen Meditationen? Gleichviel: Sie lässt ihn die Kunst der improvisierten Musik, in der er seit 50 Jahren eine wegweisende Rolle spielt, immer wieder neu entdecken - als reines Spiel.

Unschuld ist wohl auch die Ursache für die sympathische Naivität, mit der Hancock an das 21. Jahrhundert als an das des Weltfriedens glaubt. Entsprechend gutmenschlich und globalisierungsfreundlich moderierte er das Konzert um sein jüngstes Album "The Imagine Project", das John Lennons idealistisches Lied zum Ausgangspunkt einer weltumspannenden Produktion mit Gastsängern aus elf Nationen machte.

Damals hatte Hancock noch gehofft, möglichst viele der Gäste auch auf Tournee präsentieren zu können. Davon ist in der harten Realität des Musikgeschäfts nichts geblieben. Die No-Name-Sängerin Kristina Train hatte die undankbare Aufgabe, die berühmten Kolleginnen vertreten und ertragen zu müssen. Denn manchen Beitrag fürs Album ließ Hancock einfach von der Festplatte laufen. So musste Kristina Train stumm der Sängerkönigin Oumou Sangare zuhören, deren Part bei "Imagine" ja auch von uneinholbarer Majestät ist. Leider erwies sich Kristina Train auch ohne virtuelle Konkurrentin als Missgriff des Meisters. Fürs Trostspenden in Peter Gabriels "Don't Give Up" ist ihre laute, klare Cowgirlstimme, die sich manchmal betont verhuscht gibt, ebenso ungeeignet wie fürs Spiel der lebensklugen, reifen Männerbeobachterin in Joni Mitchells "Court And Spark". Jeden Ton möglichst anders zu singen als das Original macht noch keine eigene Interpretation.

Dafür spielte Hancocks Band überragend zusammen. Der Gitarrist Lionel Loueke bot mit schönen, trickreichen Melodien in einem langen Duett dem Chef am Umhänge-Synthesizer Paroli. Und seine ohnehin schon tolle Stimme fächerte Louke elektronisch unaufdringlich ins Chorische auf und spielte dazu noch ziemlich magisch Gitarre.

Greg Phillinganes, als Keyboarder selbst eine Legende, füllte hier und ergänzte dort, wo Hancock ihm Raum ließ, und sang sich ansonsten hemmungslos die Soulseele aus dem Leib. Als inspirierende Unruhestifter gaben James Genus (Bass) und Trevor Lawrence jr. (Schlagzeug) der Musik lauter spannende Impulse.

In einem Klaviersolo ließ Hancock Frühwerke wie "Maiden Voyage" oder "Dolphin Dance" aufscheinen, wobei er Melodien und Harmonien so weit verrätselte und verknappte, dass man sie kaum wiedererkannte. Im Zusammenspiel mit der Band zupackend wie je, zeigte er sich hier als Sucher, den nicht stört, dass er nicht weiß, was als Nächstes kommt. Diese Gelassenheit hat nur das Kind. Und der Weise.