Neulich einen Albtraum gehabt: Ganz Hamburg wird zum Event. Zwecks Profitabilität wird das gesamte Stadtgebiet zur ständigen Ereignis-Produktion verpflichtet. Auch die letzte Imbissbude bekommt ihren singenden Bratwurstjongleur, Museen werden in Art-Clubs mit After-Work-Themenabenden ("Rock die Renaissance") umgewandelt, Kirchen entdecken Lightshows und Happy-Hostien-Hour als Marketingtools. Inszenierte Straßenkämpfe ("Jetzt neu: das Premium-Protest-Paket mit Hausdurchsuchung") und Hafen-Havarien ("Der Untergang des Abendlandes: täglich 12 und 17 Uhr") locken Touristen in Scharen an, ja, für so ne Kulturtaxe will schon was geboten sein! In der Edeka-Kassenschlange sorgen Türsteher für authentischen Erlebnis-Charakter ("Mit den Turnschuhen kaufst du hier nicht ein"). Jemand mit Propellerkrause hält eine Ansprache über die Wichtigkeit von "Stadt als Marke".

Hamburg wird in "Hot Hammonia - Ihre Top-Location" umbenannt, das neue Image-Credo lautet: "Anregen! Aufregen! Ausverkaufen!" Die Kultur ist tot, es lebe das Event! Was zählt, ist die Anzahl Härchen, die stramm stehen, und die reagieren doch vor allem auf heiße Luft - je bunter die ist, desto besser wird auch der Inhalt einer Aufführung, eines Produkts, einer Institution verborgen (Inhalt? Dieser schwer verdauliche Ballaststoff, der sich so dermaßen unsexy verkaufen lässt? Igitt!). Wer es wagt, aus dem Kanon der Light-Kültür auszubrechen, und kleine, leise, hirnstolze Veranstaltungen macht, wird nach Kassel ausgewiesen. Oder Neumünster.

Als ich aus dem Albtraum erwachte, war ich mir nicht sicher, ob er wirklich vorbei ist. Oder gerade erst anfängt.

Ist "anstrengende" Kultur wirklich out - oder könnten wir nicht mehr davon vertragen? "Die Leichtigkeitslüge - über Musik, Medien und Komplexität" (edition Körber-Stiftung, 294 S., 18,-) von Holger Noltze gibt kluge, polemische, amüsante Antworten zum Anregen und Aufregen.