“Kassandra oder Die Welt als Ende der Vorstellung“ spielt am Schauspielhaus ironisch mit dem Schicksal von Flüchtlingen

Hamburg. "Ein Europa, das sich verschließt, ist kein Europa mehr", so kann man wohl den Appell des Stückes "Kassandra oder Die Welt als Ende der Vorstellung" verstehen, das am Sonntag im Schauspielhaus seine deutsche Erstaufführung erlebte. Es sind die letzten Worte des Programmhefts, das eher eine politische Kontextualisierung des Textes von Kevin Rittberger liefert.

Das spiegelt sich auch in Corinna Popps peppiger Inszenierung wieder: Es geht nicht direkt um Kassandra, die Tochter des trojanischen Königs, die den Untergang seines Reiches vorhersagte und der keiner Glauben schenkte. Vielmehr wird kollagenhaft die Festung Europa gezeigt, die sich verschließen will vor afrikanischen Flüchtlingen und damit die Ideale verneint, die Europa zu dem machen, was es behauptet zu sein: eine multi-ethnische Willensgemeinschaft, doch leider ist es ein VIP-Club.

Er wird gezeigt aus verschiedenen Perspektiven: Dokumentarfilmer und Zollbeamte, Intellektuelle, Übersetzer, Urlaubs-Proleten, Flüchtlinge - jede typisierte Figur wird von den Schauspielern ironisch und mit der passenden emotionalen Zurückhaltung gespielt.

Sören Wunderlich, Martin Wißner und Katharina Schmidt stehen auf der kargen Bühne des kleinen Rangfoyers zwischen Holzkisten, die etwas Schiffslagerraum-Atmosphäre versprühen sollen, und spielen mit Handpuppen, die aussehen wie sie, gekleidet in rot-grauer seriös-neutraler Kleidung.

Sie durchwühlen einen kleinen Sandberg und greifen scheinbar wahllos Geschichten von diesem und jenem Afrikaner heraus, der an Teneriffas Küste sein Leben verlor oder zumindest seine Hoffnung auf ein besseres Leben; diese Geschichten liegen tausendfach am Strand herum. Eine wird stellvertretend herausgepickt: Boubacar erreicht Europa und sieht sich sofort mit der doppelten Hilflosigkeit eines Beamten konfrontiert, der nicht weiß, was er tun soll und also auch nicht hilft: Um die Flüchtlingsherkunft zu überprüfen, muss Boubacar, gespielt von Sören Wunderlich, stammestypische Volkstänze und Gesänge aufführen.

Hilflos lachen die Zuschauer über diese Erniedrigung, dürfen wir lachen? Das Stück zeigt die europäische Realität und will warnen - und da kommt dann auch die Prophetin Kassandra wieder ins Spiel.