Ben Drew und sein Projekt Plan B begeistern mit 60er-Jahre-Soul. Die Zuschauer im Uebel & Gefährlich erlebten das Konzert des Jahres.

Hamburg. In seinem gepflegten Anzug, der Krawatte plus dazugehöriger Krawattennadel und den kurzen Haaren könnte Ben Drew auch als Sparkassenangestellter durchgehen. Wenn da nicht der gedrungene Körper mit den breiten Schultern wäre. Und der entschlossene Blick, der signalisiert: "Ich bin auf dem Sprung!" So sieht eher ein Boxer aus, der die Trainingsklamotten mit einem schnieken Outfit getauscht hat. Ben Drew ist weder das eine noch das andere. Der junge Mann mit dem blassen Teint ist ins Uebel & Gefährlich gekommen, um knapp 1000 Zuhörer zum kollektiven Ausflippen zu bringen. Unter dem Namen Plan B zählt Drew seit diesem Sommer zu Großbritanniens erfolgreichsten Popsängern.

Drew legt los wie die Feuerwehr. Mit "Writing On The Wall" beginnt er seine Show, nahtlos macht er mit "Free" weiter. "Prayin'" ist die nächste Nummer, die als schnelles Soul-Stück beginnt und plötzlich mit einem schaukelnden Reggae-Beat unterlegt wird. Plan B ist mittendrin in den Songs seines Albums "The Defamation Of Strickland Banks". Eine halbe Million Exemplare hat er davon in Großbritannien verkauft, in Deutschland schaffte das zweite Werk des Sängers aus London den Sprung in die Top Ten.

Für die Geschichte um den steilen Aufstieg und tiefen Fall eines Popstars ist Ben Drew einen großen Schritt in die Geschichte zurückgegangen und in den 60er-Jahren fündig geworden. Damals entwickelte sich im Süden der USA in Memphis eine schweißtreibende Mixtur aus Gospel und Rhythm & Blues, die Soul genannt wurde. Parallel dazu entstand ein eleganteres Pendant im Norden: Detroit war die Heimat des Motown-Soul. Drew benutzt für seinen Retro-Sound beide Stile und gibt auch noch Hip-Hop hinzu, denn mit dem Rap-Album "Who Needs Action When You Got Words" begann vor vier Jahren seine Karriere.

"Welcome To Hell" ist der nächste Song im Programm. Strickland Banks ist darin im Knast angekommen, eine Erfahrung, die der 27 Jahre alte Ben Drew mit seiner fiktiven Figur teilt. Als Jugendlicher landete er schon mal in Polizeigewahrsam, weil zu seinen Freunden auf den Straßen von Forest Gate im Londoner Süden nicht nur Chorknaben zählten.

Einen Song widmet Drew allen Kiffern im Publikum, doch Joints sind angesichts des Rauchverbots gar nicht zu sehen oder zu riechen. Die dicht gedrängt stehenden Fans brauchen an diesem Abend keine Rauschmittel, die Musik der siebenköpfigen Band trägt und beflügelt sie. Der Rhythmus wird mitgestampft, bei dem wilden "The Recluse" strecken sich Dutzende von Armen in Richtung Bühne, um den Beat noch weiter voranzupeitschen. Die beiden Gitarristen und die Rhythmusgruppe sind mit Feuereifer bei der Sache, um Tempo zu machen.

Selbst die blonde Technikerin am Mischpult kann angesichts der schnellen Grooves kaum an sich halten und wippt ausgelassen mit, während sie die Regler für die Lightshow hin- und herschiebt.

Erst seit diesem Sommer ist Drew mit dem "Strickland Banks"-Programm unterwegs, doch seine Band präsentiert sich als eine geschlossene Einheit, die schlafwandlerisch miteinander musiziert. Nicht überraschend, wenn man weiß, dass die Musiker allesamt Kumpels aus Forest Gate sind.

Der Perfektionist Ben Drew vertraut ihnen, weil er weiß, dass sie ihr ganzes Herzblut für ihn geben. Die eleganten Soulnummern haben sie genauso drauf wie "Charmaine", den einzigen Track aus Plan Bs Debütalbum. Genau wie ihr Frontmann ist jeder dieser Energiebolzen mit Punk, Hip-Hop, Soul und Reggae aufgewachsen.

Nach einer knappen Stunde verabschiedet Ben Drew sich mit "She Said". Im Mittelteil des Single-Hits zeigt er noch mal so nebenbei seine beeindruckenden Qualitäten als Rapper. Doch die Fans, viele mit einem Dauergrinsen im Gesicht, wollen mehr. Und sie bekommen mehr.

Das Programm von "Strickland Banks" ist zwar fast erschöpft, doch es gibt ja einen riesigen Fundus an Klassikern. Mit "The Tracks Of My Tears" von Smokey Robinson beginnt ein Soul-Medley, "My Girl", "Stand By Me" und "Ain't No Sunshine" sind die nächsten Perlen aus der Schatztruhe des Soul. Doch mit schlichten Coverversionen gibt Drew sich nicht zufrieden. Die Bill-Withers-Nummer verwandelt er in knallharten Dubstep, und auch Seals "Kiss From A Rose" wird vom Schmusehit zum Dancefloor-Kracher.

Das Konzert endet mit "Stay Too Long" vom "Strickland Banks"-Album. Der Beat schlägt hier Purzelbäume, Drew singt den Song in zunehmender Raserei, er springt mit voller Wucht gegen den Beatboxer Faith SFX. Nach beeindruckender Vokalakrobatik im Vorprogramm tobt SFX bei "Stay Too Long" noch einmal gemeinsam mit Ben Drew über die Bühne. Am Ende sind alle glücklich: das Publikum, weil es das Konzert des Jahres erlebt hat, und Ben Drew, weil er geradezu hingebungsvoll gefeiert wurde. 90 Minuten lang hat er hart gearbeitet und taumelt nun erschöpft und glücklich zurück in seine Garderobe.

Wie ein Boxer nach einem glorreichen Zwölf-Runden-Kampf.