Monika Mohr zeigt in ihrer Galerie von heute an eine Retrospektive des Hamburger Reportagefotografen Jochen Blume

Monika Mohr Galerie. Einen Sekundenbruchteil später schnappen die Finger langsam zu. Nehmen die Zigarette aus dem Mund. Wie in Zeitlupe. Dann wird Sophia Loren den Rauch ausblasen und dem Interviewer antworten. Genau dieser Moment, den Jochen Blume festgehalten hat, zeigt die Schönheit dieser Frau, ihre Coolness und ihre Eleganz. Der Blick ihrer dunklen Augen ist skeptisch und abwartend, doch sie hat nicht den Fotografen im Visier, sondern den Interviewer. Gleichwohl weiß die Loren, dass sie durch den Sucher der Kamera beobachtet wird. Sie posiert, wie sie es sicher schon oft getan hat, und gibt dem Fotografen professionell die Möglichkeit, ihre geheimnisvolle Aura einzufangen.

Jochen Blume, der das Bild 1964 geschossen hat, erinnert sich daran, dass er von der Begegnung mit der italienischen Filmdiva regelrecht überwältigt war. Damals war der 1925 in Hannover geborene Fotoreporter gerade von der "Bild"-Zeitung zum "Stern" gewechselt, weil Henry Nannen auf ihn aufmerksam geworden war. Elf Jahre lang hatte er für den Verlag Axel Springer gearbeitet, bis 1971 fotografierte er für den "Stern", später für die Frauenzeitschrift "Constanze", im Bauer-Verlag war er jahrelang für Titelproduktionen verantwortlich. Mit mehr als 1000 Titelbildern auf Illustrierten gehört Jochen Blume zu den einflussreichsten Fotografen der Nachkriegsgeschichte.

Monika Mohr zeigt in ihrer Galerie von heute an bis zum 15. Februar eine Retrospektive des Hamburger Reportagefotografen und Hochschullehrers. Es zeigt das Vermächtnis eines Mannes, der mit seinen Bildern das Nachkriegsdeutschland mit vielen bewegenden und großen Momenten eingefangen hat, der mit seinen Kameras dauernd auf Motivsuche war und zu einem Chronisten das Alltags wurde. Und der später bei seiner Arbeit für den "Stern" in viele entlegene Gegenden der Welt geschickt wurde, um die Redaktion mit Bildern von höchster Qualität aus ungewöhnlichen Blickwinkeln zu versorgen.

Monika Mohr zeigt in "Retrospective" vor allem Bilder, die Blume in den 50er- und 60er-Jahren gelungen sind: den Abschied und die letzte Verbeugung des berühmten Clowns Grock, von hinter der Bühne durch den sich noch einmal öffnenden Vorhang fotografiert; einen einsamen Leierkastenmann, der mit seiner Drehorgel vor ein paar Mülltonnen steht und die Tristesse im Nachkriegsberlin der 50er-Jahre symbolisiert oder Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister von Berlin, am Morgen des Mauerbaus am Checkpoint Charlie im August 1961.

Natürlich gehört auch Blumes berühmtes Bild von der Flaggenhissung auf Helgoland im Jahr 1950 zu den Schwarz-Weiß-Exponaten der Ausstellung. Damals hatten die beiden Studenten René Leudesdorff und Georg von Hatzfeld die Nordseeinsel besetzt und die deutsche und die europäische Flagge gehisst. Mit dieser Aktion wollten sie gegen das Dauerbombardement der britischen Luftwaffe demonstrieren, die das zu der Zeit unbewohnte Helgoland als Übungsziel benutzte. Jochen Blume ließ sich damals mit einem Boot von Cuxhaven aus bei eisigem Winterwetter übersetzen und war der Erste, der die Aktion fotografierte und der Öffentlichkeit mit seinen Bildern ins Bewusstsein brachte. Am 1. März 1952 wurde Helgoland an die Bundesrepublik zurückgegeben, die Bewohner konnten zurückkehren und mit dem Wiederaufbau beginnen.

Jochen Blume ist vielen Hamburgern jedoch nicht nur als Fotograf, sondern auch als Lehrender in lebendiger Erinnerung.

1972 wurde Blume als Professor an die Fachhochschule für Gestaltung, jetzt Hochschule für angewandte Wissenschaften, berufen, an der er bis zu seiner Emeritierung 1992 lehrte. Bis heute hat er als Dozent an der Akademie für Publizistik Hunderten von Journalisten in seiner geduldigen Art die Bildsprache erklärt und alle möglichen Aspekte der Fotografie von der Technik bis zu ihren Manipulationsmöglichkeiten erläutert. Über die Reportage-Fotografie heute sagte er in einem Interview mit dem "Manager Magazin", dass sie "brutaler und indiskreter" geworden sei. Die Glaubwürdigkeit habe sich jedoch durch die Entwicklung zur digitalen Fotografie kaum geändert: "Prinzipiell gilt, dass eine Fotografie noch nie glaubwürdig gewesen ist. Es ist lediglich eine Stellungnahme eines Einzelnen."

"Retrospective" 23.11. bis 16.2., Di-Fr 12.00-18.00, Monika Mohr Galerie (Bus 109), Mittelweg 45; www.photographygalerie.de