Der Dresdner Trompetenvirtuose Ludwig Güttler spielt heute mit seinem Blechbläserensemble im Michel

St. Michaelis. Es gibt Dinge, die gehören zur Vorweihnachtszeit einfach dazu. Plätzchen backen, Glühwein, Lebkuchenhäuschen, aber vor allem: festliche Bläserklänge. Und wo zum nahenden Geburtstag des Erlösers die Trompeten erschallen, da ist seit über 40 Jahren Ludwig Güttler nicht weit. Am heutigen Montag, sechs Tage vor dem ersten Advent, konzertiert Güttler mit seinem Blechbläserensemble in Hamburgs barocker Hauptkirche. Auf dem Programm des Konzerts im Michel steht u. a. Musik von Bach, Händel und Purcell.

Für Menschen, die in der Musik den Puls ihrer Zeit fühlen wollen, ist Güttler ungefähr so klischeebefrachtet wie der Weihnachtsmann; für Hörer, die in der Musik das Beständige und zeitlos Gültige suchen, ist er ein Denkmal. Einig sind sich beide Parteien wohl nur darin, dass er einer der ganz Großen der Trompeterzunft ist.

Wie kein Zweiter hat der Trompetenvirtuose dabei sein Wirken als Musiker und öffentliche Person an eine Epoche und an seine sächsische Heimat gebunden. Wer heute an Dresden und Barock denkt, dem fallen vermutlich als erstes August der Starke und Ludwig Güttler ein. Mit Leidenschaft hat der Musiker sich dafür eingesetzt, dass Dresden seinen Status als Weltkulturerbe behält. Und als Sprecher einer Bürgerinitiative setzte er sich bereits seit 1989 für den Wiederaufbau der Frauenkirche ein.

Güttler hat sich aber nicht nur Freunde gemacht: Seit Anfang der 1990er sah sich der zweimalige Nationalpreisträger der DDR - den zweiten Preis gab er 1989 zurück - wiederholt dem Vorwurf ausgesetzt, Stasi-Kontakte gepflegt zu haben. Und auch im Streit um die Frage, was für eine Orgel die wieder aufgebaute Frauenkirche erhalten soll, wurde dem bevorzugt an diesem Ort konzertierenden Barock-Star Eigennutz unterstellt. Bewiesen ist davon nichts. Sicher ist dagegen, dass sein Engagement für Sachsens Kulturdenkmäler nahtlos in Güttlers Lebenslauf passt.

Nach seinem Studium in Leipzig und einer Station beim Händel-Festspiel-Orchester in Halle zog es Güttler nach Dresden. Dort war er von 1969 bis 1980 Mitglied der Dresdner Philharmonie und lehrte als Professor für Trompete an der Musikhochschule Carl Maria von Weber. Zusammen mit dem Dirigenten Max Pommer gehörte Güttler zur Speerspitze der historischen Aufführungspraxis, die sich ab den 1970er-Jahren auch in der DDR langsam durchzusetzen begann. So gründete Güttler 1976 sein Leipziger Bach Collegium.

Richtig in Schwung gebracht wurde die Bach-Renaissance in Ostdeutschland aber erst zum 300. Geburtstag des Thomaskantors 1985. Die Aufnahmen von Bachs Brandenburgischen Konzerten und Ouvertüren mit Max Pommer, dessen Neuem Bachischen Collegium Musicum und Ludwig Güttler an der Trompete sind ein preisgekröntes Stück Audio-Geschichte. Güttler selbst gründete in dieser Zeit gleich zwei Ensembles: 1978 das Blechbläserensemble Ludwig Güttler und 1985 das Kammerorchester Virtuosi Saxoniae.

Seither hat der Fürst der Barocktrompete sich vor allem der Pflege von Dresdens großem musikalischem Erbe verschrieben. Beginnend bei Heinrich Schütz waren Musiker vom Range eines Johann David Heinichen, Jan Dismas Zelenka oder Johann Adolf Hasse in der Elbestadt Hofkapellmeister; Antonio Vivaldi, Francesco Maria Veracini, Johann Friedrich Fasch oder Georg Philipp Telemann pflegten enge Beziehungen zum Hof. Deren zum Teil völlig in Vergessenheit geratene Partituren hat Ludwig Güttler wieder aus den Archiven gezogen.

Um dieses Repertoire angemessen spielen zu können, entwickelte er in Zusammenarbeit mit dem Leipziger Instrumentenbauer Friedbert Syhre eine moderne Form des barocken Corno di Caccia (Jagdhorn), das mit einem Trompetenmundstück gespielt wird. Und auch den Beweis, dass die sprichwörtlich schmetternde Trompete, richtig gespielt, sehr wohl in den intimen Rahmen der Kammermusik passt, hat Güttler überzeugend erbracht.

Wie immer man also zu den alle Jahre wieder durch Kirchen und Konzertsäle schallenden "festlich-barocken" Blechbläserklängen auch stehen mag, Ludwig Güttler ist bei dieser Musik auf alle Fälle die erste Wahl.

Ludwig Güttler Mo 22.11., 19.30, Hauptkirche St. Michaelis (S Stadthausbrücke), Englische Planke 1, Karten ab 11,50; www.guettler.com