Hamburg. Wann lagen bei einem NDR-Jazzkonzert gepflegte Langweile und helles Entzücken je so nah beieinander? Zuerst stellte das unter dem Namen Brotherhood firmierende Quartett um Paolo Fresu (Trompete), Jan Lundgren (Klavier), Lars Danielsson (Bass) und Clarence Penn (Schlagzeug) die beliebte Arithmetik auf den Kopf, derzufolge das Ganze mehr sei als die Summe seiner Teile. Aus der mit Romantizismen der ECM-70er-Jahre-Schule möblierten Gefälligkeitsfalle kamen die Musiker erst bei der letzten Nummer heraus, als dank einer deutlich aromatischeren Melodik der Orient in die skandinavische Ereignisblässe einbrach.
Dieses Stück wirkte wie der ungewollte Übergang zum sensationellen Auftritt der Band Aurora um den israelischen Bassisten und Sänger Avishai Cohen. Bekannt wurde er als melodisch einfallsreicher, jeden Ton ungeheuer plastisch artikulierender Kontrabassist von Chick Corea. Cohen teilt dessen Vorliebe für temperamentvolle Virtuosenmusik und für Latin Jazz. Prometheus aus der arabischen Welt, bringt er der Jazzgemeinde jedoch auch levantinisches Feuer. Mit reichlich Drive des Oud-Spielers, herzerfülltem Gesang (Karen Malkas Solo hätte weniger Hall gutgetan), aberwitzig präziser, farbenreicher Perkussion, einem perfekt dienenden Pianisten und seinen eigenen, lebendigen Linien auf dem Bass und aus seiner Kehle machte Cohen aus vielen Hörern augenblicklich Fans.
(TRS)