Kein Kapitel der englischen Geschichte hat uns je so interessiert. Über keinen König sonst haben sich die Nachgeborenen so entrüstet und gegruselt wie über Heinrich den Achten. Mittendrin einer der Hauptakteure, der Bösewicht Thomas Cromwell, der zeitweise wichtigste Berater.

Von diesem Finsterling handelt der Roman von Hilary Mantel: "Wölfe", für den die Autorin den Booker-Preis erhielt. Ein historischer Roman, ernsthafter, als das Genre sonst daherkommt, weil Mantel auf die üblichen Klischees verzichtet und stattdessen eindringlich die Figuren am Hofe skizziert. Die Autorin schildert detailreich und sinnlich, wie der Emporkömmling Thomas Cromwell den Weg nach oben sucht. Nach seinen ersten Lebensstationen als Söldner in französischen Diensten, als Tuchhändler in Antwerpen und als Anwalt in London führt sein Aufstieg zu Kardinal Wolsey, der sein erster Mentor wird. Ganz schnell geht der Weg Cromwells in die erste Reihe der wölfischen Gesellschaft, nachdem Thomas More den Kardinal Wolsey entmachtet hat. In diese Lücke schlüpft nun Cromwell.

Dieser erstaunliche Roman besticht durch seine klare Sprache, entwaffnende Detailtreue und phantasievolle Komposition. Es ist das literarische Highlight dieses Bücherherbstes.

Hilary Mantel: Wölfe. Roman. Übers. v. Christiane Trabant. Dumont. 767 S., 22,95 Euro

In "Aufgeblättert" stellen im Wechsel Rainer Moritz, (Literaturhaus), Annemarie Stoltenberg (NDR), und Wilfried Weber Bücher vor.