Aber bei 3Abschied ist die tolle Choreografin De Keersmaeker leider keine gute Tänzerin

Hamburg. Lässt sich mit den Mitteln des Tanzes die Akzeptanz des Todes erzählen? Der Abend "3Abschied" versucht, das Unausweichliche in Bewegung zu erfassen. Er erzählt auch von der Selbstentblößung seiner Protagonistin. Die belgische Choreografin Anne Theresa De Keersmaeker und der Franzose Jérome Bel, die Philosophin und der Poststrukturalist des Gegenwartstanzes, haben auf Kampnagel gemeinsam das Unerhörte vollbracht.

De Keersmaeker, im Probenlook mit Jeans und Bergschuhen, erzählt, wie sie Daniel Barenboim ihre Idee vortrug, den sechsten Satz von Gustav Mahlers sinfonischem Zyklus "Lied von der Erde", "Der Abschied", in eine Grammatik des Tanzes zu übersetzen. Das gehe nicht, so der Stardirigent, der letzte Satz verhandle schließlich den Verlust des Körpers. De Keersmaeker blieb stur. Beim Gastspiel von "3Abschied" in der Reihe der Elbphilharmoniekonzerte gibt sie erst einmal den Liedtext zum Studium. Der Mix aus Unterricht und Performance wird dankbar angenommen, bevor es sehr unterschiedliche Abschiede zu sehen gibt. Mahlers Musik, von Schönberg für kleine Besetzung arrangiert, findet mit dem Ictus Ensemble unter Georges-Elie Octors und Mezzosopran Ursula Hesse von den Steinen zu ergreifender Größe. Bloß die begnadete Choreografin will hier keine überragende Tänzerin sein.

Auftritt des scheuen Jérome Bel. Bei einem Abschied verlassen die Musiker nacheinander den Saal. "Vielen Dank", sagt Bel. "Das war mir nicht radikal genug." In einer weiteren Variante sacken die Musiker scheinbar leblos zusammen. Der letzte - verzichtbare - solo von De Keersmaeker vorgetragene und getanzte Abschied zielt wie der ganze Abend auf eine Abkehr von den Gruppenchoreografien, mit denen sie den bürgerlichen Hochkulturbetrieb seit Jahren erfreut.