Er spielte am Thalia und im Wiener Burgtheater. Am Sonnabend hat Werner Wölbern Premiere an den Kammerspielen im Dialog-Duell “Das Interview“

Kammerspiele. Erotik ist immer der Knackpunkt. Offensiv oder unterschwellig. Im Theater wie im Leben - meint der Schauspieler Werner Wölbern. Doch im Interview gibt er nichts Intimes preis - ganz im Gegensatz zur Figur des selbstgefälligen Politikredakteurs Pierre, den er an den Kammerspielen probiert. Die Rolle in Stephan Lacks deutscher Bühnenbearbeitung von Theo van Goghs Erfolgsfilm "Das Interview" wollte Wölbern unbedingt spielen. Er brachte nicht nur das Stück, sondern auch Regisseur Henning Bock und seine Partnerin in die Hartungstraße mit: Sonia Hausséguy und Wölbern liefern sich zur Premiere am Sonnabend den verbalen Schlagabtausch zwischen Aggression und Attraktion.

"Zwei deformierte kranke Menschen treffen aufeinander, die sich zerstören, ohne dass sie es wollen", sagt Wölbern. "Sie können nicht anders. Machtdenken funktioniert eben über Zerstörungsenergie." Er ist ein zynischer Top-Journalist, sie ein Filmsternchen, das die Klatschblätter mit ihren Busenmaßen beschäftigt. Die Welten, die da aufeinanderprallen, sind unvereinbar - und doch ziehen sie sich an. "Wenn sich die beiden zum Kotzen finden, warum reden sie denn weiter miteinander?" Solchen Fragen auf den Grund zu gehen, verborgene Motive der Figuren zu erforschen, fasziniert Wölbern. "Man weiß nie, wer gerade lügt oder doch die Wahrheit sagt."

Ihn reizen präzise gezeichnete Psychostudien. Geschlechterkämpfe. Widersprüche im zwischenmenschlichen Verhalten. Das hat das kernige rotblonde Kraftpaket zuletzt beim Theaterfestival als der "Mann" im "Burg"-Gastspiel mit Schönherrs "Der Weibsteufel" bewiesen. Ein selbstgefälliger Macher und Macho war auch sein "Baumeister Solness" in Martin Kusejs Ibsen-Inszenierung am Schauspielhaus. "Ich werde immer so besetzt, was soll ich machen", bemerkt Wölbern lächelnd. "Dass die jugendlichen Helden an mir vorbeigegangen sind, finde ich nicht so schlimm." Als Ausgleich dafür scheint er alle Fantasie und Energie in seine schillernden Charakterschweine zu pumpen, die er in ihrer Verzweiflung, dem Nicht-Anders-Können doch auch menschlich, schwach und liebenswert erscheinen lässt. Eine Glanzleistung in dieser Hinsicht war der zwischen Ehrgeiz und Leidenschaft zerrissene Graf Leicester in Schillers "Maria Stuart" am Thalia-Theater.

Dort gehörte Wölbern von 1995 bis 2000 zum Flimm-Ensemble, kehrte nach vier Jahren am Wiener Burgtheater wieder zurück. Sein Hamburg-Debüt gab er jedoch 1994 an den Kammerspielen mit dem beklemmend intensiven Psychogramm "Der Kindermörder". Ingrid Andrée, unter Boy Gobert ein Bühnenstar am Alstertor, hatte Jürgen Flimm den Schauspieler empfohlen, der ihn prompt engagierte. "Dafür danke ich ihr heute noch."

Aus Düsseldorf gekommen, startete Wölbern dann in Hamburg richtig durch. Und hat in Winterhude auch ein standesgemäßes Heim für die Familie gefunden, in einem Haus, das einmal Gustaf Gründgens bewohnte. Seine Frau, die Schauspielerin Anne Schieber, lernte er bei einem einjährigen Zwischenspiel in Esslingen kennen. "Eine wunderschöne Zeit", erinnert er sich. "Wir spielten zusammen im Weihnachtsmärchen." Nun haben sie selbst Kinder, die 16- und 11-jährigen Söhne Jonathan und Joschua.

Die Familie ist wichtig für den verantwortungsbewussten Künstler. Er hat 2007 eine Professur an der Hochschule für Musik und Theater in Frankfurt angenommen. "Seitdem spiele ich nicht mehr als eine Theaterrolle pro Jahr." Regie führen reizt ihn nicht wirklich, obwohl er gelegentlich inszeniert hat. Zum Beispiel Fassbinders "Katzelmacher" mit Schauspielstudenten an der Folkwang-Hochschule in Essen oder Hubers "Shrink" im Foyer des Altonaer Theaters. "Ich fand das wichtig, weil ich größeren Respekt vor Regisseuren bekommen habe", gibt er zu. "Ich glaube nicht, dass ich auch noch anfangen muss, Shakespeare zu inszenieren."

Deshalb spielt der in sich ruhende Familienmensch, der in einem Jahr 50 Jahre alt wird (aber jünger und alles andere als gesetzt wirkt) lieber auf der Bühne seine dunklen Seiten aus. In den von ihm präzise ausgeloteten Figuren legt er mit Menschenkenntnis und psychologischer Einfühlung deren wunde Punkte bloß. Lässt er sich beim Interview im Leben nicht wirklich in die Karten blicken, so deckt er vermutlich im Theater-"Interview" das verkorkste Seelenblatt des Reporterekels Pierre schonungslos auf.

Das Interview: Sa 13.11., Kammerspiele (U Hallerstraße), Hartungstraße 9-11, Karten von 16,- bis 35,-, T. 0800-413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de