Singer Pur und David Orlowsky gaben, präsentiert von der Die NDR-Konzertreihe Das alte Werk, ein bewegendes Konzert in St. Johannis.

Hamburg. Einsam und leise weint die Klarinette von David Orlowsky in die Stille hinein. Dann erst füllen die sechs Mitglieder von Singer Pur die schummrig beleuchtete St.-Johannis-Kirche Harvestehude mit ihren Vokalklängen: Sie singen eine Lamentation von Palestrina, der die Klagen des Propheten Jeremiah über die Zerstörung Jerusalems vertont hat.

Diese tiefernsten, nach strengen Regeln komponierten Stücke mit Orlowskys Improvisationen auszuschmücken - das ist die geniale Kernidee in dem musikalischen Programm "Jeremiah", das jetzt in der NDR-Reihe "Das alte Werk" zu erleben war.

Indem die Klarinette Palestrinas fast weiße Reinheit mit ihren klezmerartigen Klängen ergänzt und vermischt, entstehen plötzlich ganz neue Farben von spiritueller Leuchtkraft - die ungewöhnliche Kombination schlägt eine Brücke von der katholischen Renaissancemusik bis in die Gegenwart, zu den orthodoxen Juden, die Jeremiahs Texte noch heute an der Klagemauer in Jerusalem rezitieren.

Mit drei Blöcken bilden die angereicherten Lamentationen das Gerüst des Konzerts; der mittlere sorgt durch die Besetzung mit Männerstimmen und Bassklarinette für einen besonders dunklen Farbton. Als dezenten Kontrast zu Palestrina enthält das Programm auch einige Arrangements von chromatisch durchtränkten Gesualdo-Stücken und zwei Auftragswerke des jungen Komponisten Matan Porat, die er eigens für die Besetzung aus sechs Sängern und Klarinette geschrieben hat. Sehr eindrucksvoll etwa sein "Lux Aeterna", dessen Clusterflächen dem Bild des ewigen Lichts eine düstere Grundierung geben.

Mit den unterschiedlichen Stücken wechselt Orlowsky zwischen verschiedenen Rollen hin und her: Manchmal übernimmt er eine imaginäre siebte Stimme des Ensembles Singer Pur, an anderen Stellen verschmilzt sein Klarinettenton mit dem Klang der Sopranistin zu einer neuen Mischung, oder er setzt ganz eigene Akzente, wenn das Instrument zu einem selbstständigen Dialogpartner wird.

So entsteht ein dichter, in seiner Geschlossenheit aber auch abwechslungsreicher Spannungsbogen mit vielen großen Momenten - vor allem bei den berückend schön umrankten Vertonungen der einzelnen hebräischen Buchstaben: Sie sind wichtige Gliederungspunkte innerhalb der Lamentationstexte. Die Stunde vergeht paradoxerweise gerade wegen ihres ruhigen Atems und behutsamen Strömens wie im Flug. Am Ende weint die Klarinette wieder leise in die Stille hinein.