Die Stadtparksaison beginnt mit Lotto King Karl

Ein Park ist ein Park und damit per se ein Bild - des Wohlfühlorts einer Stadt. Will man das, was in einem Park geschieht, mit einem anderen Bild beschreiben, dann wäre es das eines trägen Flusses, dessen Fließen kaum zu sehen ist. Der Park, nehmen wir jetzt mal, um diese Betrachtung eine wenig in Schwung zu bringen, unseren schönen Stadtpark, ist, abgesehen von abgedroschenen Zuschreibungen ("die grüne Lunge der Stadt", "Oase"), ein Ort der vollendeten Entspannung. Gut, es gibt die Jogger und die Fußballspieler, die sich im Schweiße ihres Angesichts das Alsterwasser verdienen oder das Grillen unterm Sternenhimmel, später.

Aber der Stadtparkgänger in Reinkultur ist doch eher einer, der es sich gut gehen lässt, ohne zu schwitzen.

Er fläzt sich auf Decken, führt sich majestätisch Trauben von der Hand in den Mund, zählt Schönwetterwölkchen, schaut Mädchen hinterher. Wenn er sich überhaupt konzentriert, dann nur auf die Lektüre eines Buches. Meistens verwendet er das aber nur als Sonnenschutz. Sonst denkt er mal hieran und daran, die Gedanken sind nirgends freier als an einem Sonnabendnachmittag im Stadtpark. Es gibt trotzdem keinen unproduktiveren Ort, weil sie sich an nichts heften, die Gedanken. Im Stadtpark schlafft der Zivilisationsmensch ab, hier wird nichts erfunden, gebaut, ersonnen, gedacht. Der Besucher des Stadtparks ist ein Müßiggänger, der liegt oder sitzt oder gemächlich flaniert, ja: lustwandelt.

Der Stadtpark goutiert das alles, so gediegen und breitarschig er daliegt im schönen Winterhude, er schätzt seine entspannten Gäste und spricht das Lob der Faulheit.

In den Stadtpark gehen die Hamburger, die es verdient haben; die müde gearbeiteten und die zufriedenen, die arrivierten und die angekommenen. Ein typisches Stadtpark-Ensemble ist im Booklet der Blumfeld-CD "Jenseits von jedem" zu sehen: Jochen Distelmeyer und Spießergang beim Picknicken. Könnte Ironie sein. Der Stadtpark ist völlig unironisch und übrigens, das sei an dieser Stelle unironisch gesagt, ein tatsächlich idyllischer Raum des Friedens. Im sogenannten Wonnemonat Mai ist die Stadtparksaison nun eröffnet, und das ist gleichbedeutend mit der Freigabe der Stadtparkbühne. Sie pflanzt dem Park Kultur ein, sie steht da satt und rund und träge - für genau die Portion Entertainment, die dem Parkbesucher die ultimative Zerstreuung liefert, derer er in seiner urbanen Sommerfrische bedarf. Das Programm ist wohlabgeschmeckt und massenkompatibel, das heißt: Seit jeher kommen die Schwergewichte der Branche wie Meat Loaf und Gossip genauso zu ihrem Recht wie Underground-Künstler, seien es Henry Rollins oder The National.

Je spektakulärer freilich die Künstler, desto mehr Betrieb im Stadtpark. Denn dann fallen die Zaungäste ein, freilich mit heruntergedimmtem Stadtpark-Temperament, sie sitzen mit Rotwein und Baguette im Schneidersitz und schunkeln im Takt.

Der ist eher langsam. Nicht zu anstrengend. Stadtparkkonzerte sind solide Veranstaltungen, sie fordern den Besucher nur, wenn Regen niedergeht auf Hamburgs grünste Anlage. Stadtparkkonzerte sind nicht wirklich Rock 'n'Roll, sondern eher erholsam - und wer muss beim ersten Konzert auf der Bühne stehen, damit Hamburg ganz bei sich ist, damit das behagliche, wiedererkennbare Gefühl fürs Zuhause entsteht? Gerrit Heesemann, HSV-Lautsprecher und Dauerschnacker und Lotto King Karl, Unterhalter auf der Stadtparkbühne am 13., 14. (ausverkauft) und 28. Mai. Barmbeker, der nur ein paar Meter fahren muss nach Winterhude. Lotto ist eigentlich nie aus Hamburg rausgekommen, in München kennt ihn keine Sau.

Das macht aber nichts.

Der gemeine Münchner kennt ja auch unseren Stadtpark nicht und geht nackt in den Englischen Garten. Nudisten in Winterhude? Nicht auszudenken! Der Hamburger bleibt angezogen.