Hermann Schreiber schreibt jeden Monat im Hamburger Abendblatt. Heute: Wie die “da unten“ die “da oben“ endlich besser verstehen könnten.

Jetzt wissen wir endlich, was man hätte tun oder jedenfalls können müssen, um das Desaster bei der Vermittlung des Bahnhof-Großprojekts Stuttgart 21 an die betroffene Bevölkerung zu verhindern. Dass eine solche Vermittlung gar nicht oder unzureichend stattgefunden hat, geben die Beteiligten inzwischen zu. Offenbar war niemand zuständig oder in der Lage.

Seit dem 6. Oktober nämlich sucht die Abteilung Kommunikation im Persönlichen Referat des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Stuttgart per Inserat "eine/n Fachfrau/-mann Öffentlichkeitsarbeit Städtebau", deren thematischer Schwerpunkt Stuttgart 21 sein soll. Dafür sollen zum Beispiel "Veranstaltungen konzipiert und umgesetzt " sowie Beiträge verfasst werden für die städtische Internetplattform oder das Stuttgarter Amtsblatt. "Dazu gehören auch Auftritte in der Öffentlichkeit als Referent/in" - also so ziemlich alles, was vor Baubeginn versäumt worden ist.

Und jetzt kommt's - nämlich die Qualifikation: ein abgeschlossenes Fachhochschulstudium im Bereich Architektur/Städtebau, ersatzweise ein abgeschlossenes Studium oder eine abgeschlossene Ausbildung im Bereich PR/Kommunikation, eine mehrjährige fundierte Berufserfahrung sowie Teamfähigkeit, umfassende Kenntnisse moderner Kommunikationsstrategien sowie deren praktische Umsetzung, ferner fundierte Kenntnisse der Neuen Medien sowie Text- und Stilsicherheit und die Fähigkeit, auch schwierige Sachverhalte zielgruppenorientiert und leicht verständlich aufzubereiten, ferner Erfahrungen in der Konzeption und Durchführung von Veranstaltungen, schließlich hohe Flexibilität, Eigeninitiative und Kreativität.

Da muss man sich nicht wundern über die fehlende Kommunikation, über die versäumte Volksbeteiligung bei Stuttgart 21.

Einen solchen Tausendsassa haben sie wohl nicht gehabt bei der Bahn und in Stuttgart, obwohl man dort ja gern mit dem Spruch wirbt: "Wir können alles. Außer Hochdeutsch." Die Frage ist: Gibt es den Tausendsassa überhaupt? Welches Wunderkind soll es wagen, sich auf eine solche Anzeige zu bewerben?

Kann der jetzt so oft beklagte Mangel an Fachkräften nicht auch mit solchen Anforderungsprofilen zu tun haben? Wenn Heiner Geißler, der das Kind jetzt aus dem Brunnen holen soll, in den man es in Stuttgart geschubst hat, diese Anzeige zu sehen bekäme - er würde wohl sein ironischstes Lächeln aufsetzen.

Dabei ist der Kasus überhaupt nicht komisch. Wenn die politische Klasse, also "die da oben", und ihre Amtshelfer nicht so reden oder schreiben würden, als wären sie grundsätzlich die Größten, dann würden "die da unten", wir also, sie vielleicht besser verstehen. Das wäre dann Kommunikation.

Die nächste "Ich sag mal"-Kolumne von Hermann Schreiber erscheint am 4. Dezember.