Eine faszinierende Biografie zeigt “Carlos“ als Verführer, ohne zu verharmlosen

Nun ist er endlich da, der Film, über den bei den Filmfestspielen in Cannes am meisten diskutiert wurde, schon allein wegen der exorbitanten Länge von 333 Minuten. Fünfeinhalb Stunden in einem dunklen Saal - das mochte der französische Regisseur Olivier Assayas ("Irma Vep") weder Kinobesitzern noch Zuschauern zumuten, und so hat er "Carlos - Der Schakal" selbst auf 187 Minuten gekürzt.

Trotzdem hat die filmische Biografie über einen der gefährlichsten Linksterroristen, Ilich Ramírez Sánchez mit bürgerlichem Namen, nichts von ihrer Faszination und erzählerischen Wucht verloren.

Die Handlung setzt im Juli 1973 ein. Carlos (Édgar Ramírez) wird in Beirut zum Europa-Chef der palästinensischen PFLP ernannt. In den folgenden Monaten erregt er durch Attentate und Bombenanschläge rasch Aufmerksamkeit und steht plötzlich in allen Zeitungen: der Terrorist als Medienstar.

Die Opec-Geiselnahme von 1975 steht im Zentrum des Films

Zum Zentrum des Films gerät die detailliert geschilderte Geiselnahme während der Opec-Konferenz, die im Dezember 1975 die Welt erschütterte, drei Menschenleben kostete und gegen Zahlung eines Lösegeldes in Algerien endete. Danach hat es der Film sehr eilig, er spannt den Bogen von mehreren Auslandsaufenthalten bis zur Verhaftung im Sudan 1994. Man ahnt, dass die lange Fassung noch ausführlicher und ruhiger erzählt. Trotzdem entstand das schillernde Porträt eines widersprüchlichen Charakters, gewalttätig, dominant, dickköpfig, eitel, mal idealistisch, mal pragmatisch. Ein ungemein interessantes, penibel recherchiertes und darum detailreiches Biopic, das Carlos als charismatischen Verführer zeigt - ohne ihn zu verharmlosen.

Bewertung: überragend Carlos - Der Schakal F/D 2010, 187 Min., ab 16 J., R: Olivier Assyas, D: Édgar Ramírez, Nora von Waldstätten, Alexander Scheer, Julia Hummer, Katharina Schüttler, täglich im Passage, Zeise (OmU); www.carlos-derfilm.de