Peter Handke gelingt mit “Immer noch Sturm“ ein Opus magnum

Schon Ende der Fünfziger, als Peter Handke noch in Klagenfurt aufs Gymnasium ging, beschwerte sich die Schwester über seine schlechte Laune, wenn es mit dem Schreiben mal wieder nicht so voranging. Ein paar Jahre später warf Handke zornig den Autoren der Gruppe 47 "Beschreibungsimpotenz" vor (1966) und sorgte mit seiner "Publikumsbeschimpfung" (1967) für einen Skandal. Im Grunde hat sich nichts geändert seitdem. Handke ist bis heute der ewige Grantler. Sein neues Buch "Immer noch Sturm" belegt das exemplarisch, es endet mit dem wütenden Lied vom "Weltverdruss".

In dem sprachgewaltigen Alterswerk vereint Handke alle literarischen Gattungen. Sein Text ist episch wie ein Roman, hat die tönende Sprache eines Gedichts und die beseelten Dialoge eines Theaterstücks. Auf einer kargen Heide lässt er die Ahnen aufmarschieren. "Da seid ihr nun, Vorfahren. Die längste Zeit schon habe ich auf euch gewartet. Nicht ich lasse euch nicht in Ruhe. Es lässt mich nicht in Ruhe, nicht ruhen." Was folgt, ist ein beeindruckender Chor der Stimmen, der Handkes Familiengeschichte mit der des Freiheitskampfes in Österreich verknüpft. Waren es doch die slowenischen Kärntner, die innerhalb der ursprünglichen deutschen Reichsgrenzen als Einzige bewaffneten Widerstand gegen Hitler übten. Das neue Handke-Buch ist sein persönlichstes seit "Wunschloses Unglück" (1972). Damals bewältigte er schreibend den Selbstmord der Mutter.

In einem ebenso eindringlichen Text, in dem Motive aus allen Schaffensperioden aufblitzen, spürt Handke nun der eigenen Heimatlosigkeit nach. Aus Worten entsteht eine Welt. Die Sprache selbst wird zum Gegenstand der Geschichte. Sätze nehmen Gestalt an, werden zu Gestalten. Das Buch wird so zu einem Opus magnum, in dem sich der Schriftsteller wie vor einem Spiegel selbst gegenübertritt.

Peter Handke: Immer noch Sturm . Suhrkamp, 166 Seiten, 15,90 Euro