Der Parzival im John-Neumeier-Ballett brachte Edvin Revazov den Ritterschlag zum Ersten Solisten

Staatsoper. Als schöner Unschuldsknabe Tadzio in John Neumeiers Ballett "Tod in Venedig" schaffte Edvin Revazov den Aufstieg zum Solisten. Mit 20 Jahren war er aus der Hamburger Ballettschule 2003 in die Compagnie gekommen. Seitdem tanzt der in Sewastopol geborene Ukrainer die Rollen von Prinzen und Dämonen, Mönchen und Rittern, Hexen oder Engeln, gewann in der darstellerisch wie körperlich anspruchsvollen Titelrolle von "Parzival - Episoden und Echo" international Aufmerksamkeit. Die Uraufführung von John Neumeiers Coming-of-Age-Ballett nach Wolfram von Eschenbachs Epos vor vier Jahren wurde auch für Revazov zur Reifeprüfung. Glänzend hat er sie gemeistert. Als reiner Tor, der zum mitfühlenden Mann reift. Als Tänzer, der seine Rolle so eindringlich wie wandlungsfähig gestaltet - ja durchlebt. Nun tanzt er als frisch gebackener Erster Solist die Wiederaufnahme des Balletts.

Edvin Revazov kommt direkt von der Probe. Er wirkt keine Spur ausgepowert. Gibt sich offen, freundlich, aber spricht doch lieber Englisch als Deutsch. Der blonde Hüne mit den blauen Augen könnte ebenso gut ein Leichtathlet sein, der gerade Diskuswerfen oder Stabhochsprung trainiert hat. Für einen Tänzer ist der muskulöse junge Mann mit Gardemaß beinahe zu groß. Doch John Neumeier bevorzugt - im Gegensatz zu streng klassisch ausgerichteten Compagnien - unterschiedliche Charaktere und Körpertypen in seinem Ensemble. Es soll eben die Verschiedenheit der Menschen spiegeln.

Tatsächlich hat der jüngste von fünf Brüdern viel Sport getrieben und dachte zunächst nicht ans Ballett. "Ich schwamm, spielte Tennis, trainierte alles Mögliche und auch Akrobatik", erzählt er. "Aber dann bin ich doch an die Moskauer Tanzschule gegangen und meinen älteren Brüdern nachgefolgt." Das Vorbild hat ihn beeinflusst. "Drei von ihnen sind auch Tänzer."

Beim renommierten Nachwuchswettbewerb Prix de Lausanne ist der talentierte Eleve John Neumeier aufgefallen. Der Ballettchef hat in Revazov wohl intuitiv schon "seinen Tadzio" erkannt. Anders als in der Novelle von Thomas Mann war er kein elegischer, feingliedriger Knabe, sondern verkörperte vielmehr das blühende Leben und die ungestüme kraftvolle Jugend, die für den Choreografen Aschenbach nur noch eine Erinnerung ist. Vielleicht auch für den intellektuellen Künstler eine Wunschprojektion, wie er gern hätte sein wollen.

Mit jedem Auftritt verändere sich die Figur und wachse weiter, erklärt Revazov. "Ich entdecke immer neue Facetten in der Ausdrucksmöglichkeit oder in einer Situation. Auch wenn das Schrittmaterial gleich bleibt, hängt die Darstellung von der täglichen Form und Stimmung ab." So bleibt in seinen Augen eine Figur wie der Parzival lebendig und wächst mit ihm weiter. Als Beispiel nennt er auch Armand Duval in "Die Kameliendame", den er beim China-Gastspiel tanzte. "Der Part ist nicht eine virtuose Tanzrolle wie der Prinz Desiré in 'Dornröschen' nach einer Petipa-Fassung, die man technisch bewältigen kann. Armands Bewegungssprache spiegelt seinen Charakter, die dramatischen Situationen. In ihn muss man sich einfühlen, ihn sich aneignen." Genau wie die Lichtgestalt Parzival im Wandel seiner Altersstufen und Persönlichkeitsentwicklung.

Im Fräulein, das nicht lacht, begegnet Revazov auch seiner Lebenspartnerin Anna Laudere auf der Bühne. Eine eher introvertiert agierende Ballerina, bewahrt die elegante Lettin ihren Rollen etwas Geheimnisvolles und dunkel Undurchschaubares, wie auch der Kalliope in Neumeiers "Orpheus" - wieder an der Seite von Revazov als Apollo. Er verkörpert dessen Vater, den Gott des Lichts und der Musik. Gemeinsam aufzutreten, empfinden die beiden als ein Glück. "Aber die Proben davor sind manchmal problematisch und ein bisschen schwierig", gibt Revazov zu. "Man nimmt die Dinge und Kritik persönlicher, weil wir zusammenleben." Die Trennung von Beruf und Privatem sei nicht wirklich möglich. "Wir denken natürlich daran, wir reden darüber und probieren auch schon mal in der Küche Schritte oder einen Pas de deux."

Den Parzival bezeichnet Edvin Revazov als eine Schlüsselrolle in seiner Laufbahn. Sie hat ihn persönlich wie künstlerisch weitergebracht. Doch Lieblingspartie würde er nicht sagen. "Ich nehme immer etwas von einer vorhergehenden Rolle in die nächste mit."

Parzival - Episoden und Echo: 2., 5.11., 19.30, Staatsoper (U Gänsemarkt/ Stephansplatz), Dammtorstraße, Karten 4,- bis 79,- T. 35 68 68; www.hamburgische-staatsoper.de