Die Hamburger Symphoniker brechen eine Lanze für den Weichzeichner Williams

Hamburg. Mutig hatten die Hamburger Symphoniker das aller Erfahrung nach attraktivere Solistenkonzert an den Anfang ihres zweiten Abokonzerts am Sonntag gesetzt und sich die Sinfonie für die zweite Hälfte aufgehoben. Das Publikum dankte mit Treue über die Pause hinaus, und wurde dann doch recht lang auf die Folter süßer Ereignisarmut gespannt, die sich über weite Strecken in Ralph Vaughan Williams' Sinfonie Nr. 5 D-Dur ausbreitet.

Im Bestreben, das Werk seines britischen Landsmanns bei uns bekannter zu machen - außer der schönen Fantasie für Violine und Orchester "The Lark Ascending" kennt unser Konzertleben kaum was von Williams -, bewies Jeffrey Tate diesmal keine besonders glückliche Hand.

Die im Zweiten Weltkrieg entstandene viersätzige Sinfonie grenzt an Verleugnung ihrer Zeitgenossenschaft; Kirchentonarten, Pentatonik, diffus Folkloristisches, lange Violinpassagen mit Dämpfer, ein kleines elegisches Englischhorn-Solo, Chinoiserien von der Flöte und anderen Holzbläsern - ereignisabgewandter kann man in schwerer Zeit kaum komponieren. Allenfalls ein in Streicherseufzer watteweich gepackter Weltschmerz ließe sich als diskreter Hinweis auf historisches Bewusstsein deuten. Ungeachtet ihrer Langatmigkeit spielten die Symphoniker die Musik konzentriert und feinfühlig, Jeffrey Tates hohe Kunst der leisen Töne feierte manche stille Sternstunde.

Schön roh und zupackend hatten der Chefdirigent und sein Orchester die Ecksätze in Brahms' erstem Klavierkonzert d-Moll erarbeitet. Der junge russische Pianist Denis Kuzhukhin machte mit akkuratem Spiel auf dem im Bassbereich und den oberen Mitten nicht optimal intonierten Flügel den Eindruck, nichts weiter sein zu wollen als ein guter Diener der Musik. Seine Extravaganz lebt er in gerne mal weit abgespreizten kleinen Fingern auf der Tastatur und seinem feinst gebürsteten platinblonden, zum Pferdeschwanz gebundenen Haar aus. Im langsamen Satz gelangen berückend traumverlorene Duette zwischen Orchester und Solist. Kuzhukhin dankte dem Publikum seinen heftigen Applaus mit einem Petit Four von Zugabe (Bach-Siloti).