Das Radar-Filmfestival zeigt kleine Filme, die sich mit großen Problemen wie Ernährung, Umweltschutz und Migration befassen

Es gibt nicht viele Filmfestivals, die eine Kategorie "Ghetto" im Programm haben. Das Radar-Festival, das von heute an bis zum 6. November zum dritten Mal über Hamburger Leinwände flimmert, leistet sich auch in diesem Jahr diesen Blick in die Elendsviertel der Welt mit Dokumentationen und Kurzfilmen. In "Lost Angels" hat Thomas Napper ein Porträt über ein paar heruntergekommene Blocks und ihre Bewohner in Los Angeles gedreht. "Invisible City" zeigt am Beispiel von zwei Teenagern, wie ein Komplex von Sozialbauten mitten in Toronto immer mehr verschwindet, weil auch dort die Gentrifizierung unaufhaltsam voranschreitet.

Beide Dokumentationen stehen beispielhaft für das ebenso engagierte wie auch politische Programm der vierköpfigen Jury und der Festivalmacher Ale Dumbsky und Boris Castro. Radar hat die Subkultur auf dem Schirm, es blickt in weit entfernte Gegenden genauso wie vor die eigene Haustür. Es zeigt Filme, die Stellung beziehen und Haltung haben, Musikfilme finden sich genauso im Programm wie Animationsstreifen, lange Spielfilme werden zusammen mit Kurzfilmen gezeigt. 85 Filme aus 19 Ländern sind in diesem Jahr auf 29 Themenabende verteilt.

Auch die Zahl der beteiligten Kinos ist gewachsen. Nachdem im ersten Jahr nur Kinos auf St. Pauli dabei waren, sind es diesmal auch das Alabama in der Jarrestadt, das Metropolis am Steindamm sowie die Filmfabrique im Gängeviertel. Hinzu kommen 3001, B-Movie, Lichtmess und Hamburger Botschaft.

Die Titel der einzelnen Themenabende verraten bereits eine Menge über die programmatischen Schwerpunkte: "Mare", "Aborigines", "Afrika!" "Rugby & Recycling" sind einige Beispiele für das Konzept, zwei kurze und einen langen Film in einem Schwerpunkt zu zeigen. Den größten Raum nimmt in diesem Jahr die Sektion "Heimat" mit vier Blöcken ein. "Uns hat eine Breitseite hiesiger Filme erwischt", sagt Ale Dumbsky.

Filmfreunde dürfen auf Entdeckungsreise gehen, einer jungen Schneiderin, "Havana Eva", folgen, die Modedesignerin werden will, oder in "Salam Rugby" an dem Spiel einer iranischen Mädchen-Rugby-Mannschaft teilnehmen, die nicht unbedingt das Wohlwollen der Mullahs genießt. In "Glebs Film" lernen sie einen kleinen Friseursalon in Altona kennen, in den fast nur ältere Kundinnen kommen, und in der Doku "Gekaufte Wahrheit" erfahren sie, wie mexikanischer Mais genmanipuliert wird. Hamburg trifft die Welt, kleine Geschichten treffen große Probleme wie Ernährung, Umweltschutz und Migration. Bei aller Ernsthaftigkeit ist Radar keine humorfreie Zone: "Oh Fortuna" von Johannes Klais zum Beispiel beschäftigt sich mit Amateurfußballern in Dortmund. So ein Drama um den Klassenerhalt kann mitunter ziemlich komisch sein.

Radar-Festival Mo 1.11. bis Sa 6.11.; Infos unter www.radarhamburg.com