Die Ausstellung “Insert“ und das Projekt “Channel TV“ beschäftigen sich mit der Fernsehkultur

Harburger Bahnhof. Da mögen sich GEZ-TV und Konsorten noch so anstrengen: Sie bleiben ein "ausgemustertes Möbelstück", eine "kulturell veraltete" Massenkommunikation. Jedenfalls aus Sichtweise des Kunstvereins Harburger Bahnhof. Ab heute zeigt er ein eigenes TV-Programm zusammen mit der Ausstellung "Insert - never the same colour". Die Schau ist Teil von "Channel TV", einem Kooperationsprojekt des Kunstvereins zusammen mit der Halle für Kunst Lüneburg und dem französischen "centre d'art cneai=".

Seit iPods, Smartphones und Internet-TV ein breites Publikum binden, drängt sich die Frage nach einer Neuerfindung des Fernsehens auf. Und seit der User es selbst in der Hand hat zu bestimmen, was und wann er sehen will und obendrein als Produzent in Erscheinung tritt, ist TV im klassischen Sinne ein Auslaufmodell. Der Kunstverein antwortet darauf mit dem achtstündigen "Channel TV". Bewusst geht man anachronistisch vor: Es wird gesehen, was auf den Schirm kommt, mit klassischen unveränderlichen Formaten wie Kochstudio, Talkshow, Spielfilm, Werbespots, Sport. Die Inhalte sind allerdings von Künstlerhand gedreht.

Läuft "Robin Hood", sieht der Zuschauer allein Wald- und Landschaftsszenen. Beim Kochstudio wird mehr ernst als ironisch die "Horizontalität" der Wurstplatte als Ziel eigener Kochkünste anvisiert. Authentisch begleiten die French Open Geschrei, Gestöhn und Beifall, allein ihre Protagonisten - Tennisspielern und Ball - sind buchstäblich fehl am Platz. Und Ulrich Wickert wünscht einen guten Abend, um anschließend in Schweigen zu verfallen.

Mit der Ausstellung gehen Heiko Karn, Katrin Mayer und Eske Schlüters zurück in die Pionierzeiten des Fernsehens. 1883 entdeckte der Ingenieurstudent Paul Nipkow, wie sich Bilder in Strahlen und einzelne Punkte auflösen, wenn man sie mit zusammengekniffenen Augen betrachtet. Nipkow notierte eine Art Primitiv-Scanning, das die Schau jetzt mit reichlich hängendem Tüll reflektiert.

Durch Löcher blickt man auf Farben oder Projektionen, erkennt changierende Moiré-Effekte, den Transfer von Licht von einem Ort zum anderen. Und welche euphorische Hymnen die ersten übertragenen Bilder tatsächlich auslösten, kann man in einem historischen Originaltext nachlesen.

"Channel TV" wird übrigens auch im Foyer des Hotel Fresena (Moorweidenstraße) sowie im Wellnessbereich des Hotels Europäischer Hof (Kirchenallee) ausgestrahlt.

"Channel TV" und "Insert" bis 19.12., Mi-So 14.00-18.00, Künstlergespräch: 31.10., 16.00, Kunstverein Harburger Bahnhof über Gleis 3 & 4 (S Harburg), Hannoversche Str. 85; www.kvhbf.de