Die Plattenladenwoche feiert vom 29. Oktober bis zum 5. November die Hamburger Wohnzimmer des Pop mit vielen Konzerten und Aktionen.

Es gibt musikalische Früherziehung an Blockflöte und Triangel, Stimm(ein)bildung im Schulchor und Kollektivverklanglichung mit dem Projekt "Jedem Kind ein Instrument". Das ist alles gut, schön und löblich. Doch die Jugend, sie musiziert nicht nur. Sie hört auch. Und deswegen sei an dieser Stelle wenn schon keine Lanze, so doch wenigstens eine Saphirnadel gebrochen für eine Institution, die für die musikalische Aus-, Weiter- und Herzensbildung unerlässlich ist: der Plattenladen.

Es begab sich 1994 in einer mittelgroßen Stadt am Niederrhein. Eine junge Frau saß vor dem, was damals tatsächlich noch als Musikfernsehen bezeichnet werden durfte. Zu sehen war ein Videoclip der Hamburger Band Die Sterne. "Was sind denn das für hässliche Vögel", kommentierte der ältere Bruder. Damit war das Interesse geweckt.

Wie in der internetlosen Zeit üblich, führte der erste Weg für Fachfragen in Sachen Pop in den Plattenladen des Vertrauens. Der junge Mann hinter dem Verkaufstresen entpuppte sich als ausgemachter Experte für hintersinnige Tonkunst aus der Hansestadt. Vor lauter Euphorie, dass sich jemand für sein Steckenpferd interessierte, bot er der Kundin an, ihr Platten aus seiner privaten Sammlung zu leihen. Genau: auszuleihen. Ohne zu bezahlen.

Mindestens geschäftsschädigend, mag man denken. Aber falsch. Die wenige Tage später übereichte Plastiktüte mit Tonträgern von Die Regierung, Blumfeld, Die Braut Haut Ins Auge und den Lassie Singers kam eher der ersten Dosis gleich, die eine lange anhaltende Sucht entfachen sollte. Die kommenden Jahre erstand die junge Frau allein aus lauter Dankbarkeit für das akustische Glück aus der Tüte so viele Platten, dass sie den Erhalt des Geschäfts zumindest verlängerte.

Heutzutage sind die Wundertüten, in denen es Musik zu entdecken gilt, für viele Fans virtuell und heißen MySpace. Doch bei der Suche nach erlesenem Pop, Rock, Soul, Punk, Elektro, Klassik und Neuer Musik im Internet fehlten einfach die begeisternde Beratung, das nerdige Plaudern mit Gleichgesinnten, das Blättern in den CD- und Vinyl-Kisten und das beiläufige Abgreifen von Flyern und Szene-Informationen aller Art. Apollon sei Dank existieren überall im Lande aber Trutzburgen, die der Uniformität der Fußgängerzonen und des Geschmacks entgegenstehen und ihren Kunden handverlesen Neues und Gebrauchtes aus dem weiten Feld der Musik anbieten. Ein sinnliches Erlebnis, das auch in Hamburg zu haben ist.

Um diese Wohnzimmer des Pop in das Rampenlicht zu führen, das ihnen gebührt, initiierte Jörg Hottas, Chef des Händlerverbundes Aktiv Musik Marketing, vergangenes Jahr erstmals die Plattenladenwoche. Nach der Devise "Gesang und Saitenspiel, die größten Freunde des Menschenlebens" gibt es vom 29. Oktober bis 5. November auch in den Läden zwischen Altona und City nicht nur Konserven zu kaufen, sondern auch Konzerte zu hören.

Am Sonnabend etwa präsentiert Jazz-Chanteuse Lizz Wright bei Michelle Records (Gertrudenkirchhof 10) um 14 Uhr ihr Album "Fellowship". Und am kommenden Mittwoch singt Straßenmucker Felix Meyer bei Burnout Records am Grünen Jäger 21 ab 18 Uhr "Von Engeln und Schweinen". Und das alles für lau. Wundertüte live also.

Die Empfehlung lautet daher: hingehen! Und sich bitte nicht von der viel zitierten Hipster-Story "High Fidelity" abschrecken lassen. In dem Film nach Nick Hornbys Erfolgsroman verkörpert Jack Black den arroganten Plattendealer Barry, der seine Kunden mit geschmackspolizeilichen Attacken vergrault. Für die meisten seiner Spezies gilt aber: Die wollen nur (Platten vor-)spielen. Ihr Motto, frei nach Die Sterne: "Perfekter Service, korrekte Preise".

Plattenladenwoche 29.10. - 5.11., Infos unter www.plattenladenwoche.de