Midlifecrisis? Band gründen! Nick Cave, lautstarker Poet der in uns schlummernden Triebe, hielt mit Grinderman eine Messe im Docks.

Hamburg. In seinem Alter hat so mancher mit der Midlifecrisis zu kämpfen und sucht sich dann entweder eine junge Freundin oder ein hippes Hobby. Nick Cave, gerade 53 Jahre alt geworden, wählte einen anderen Weg: Er kreierte eine neue Band. Grinderman besteht aus vier Musikern, alle in Caves Alter und auch Mitglieder bei seinen Bad Seeds. Vier Freunde, die Spaß daran haben, es richtig krachen zu lassen. Die sich gebärden dürfen wie kleine Kinder.

Doch die diesen Radau jederzeit kontrollieren. Grinderman-Konzerte sind keine aus dem Ruder laufenden Spontanaktionen, sondern wohlüberlegte Performances mit individuellen Freiheiten für jeden der vier Akteure. Die Rollen jedes einzelnen werden schnell klar. Bei ihrem Hamburg-Debüt steht Nick Cave fast automatisch im Mittelpunkt. Ein Sänger eben. Und ein Prediger dazu. Wer würde diesem schwarz gekleideten Mahner nicht sofort folgen, wenn er den Zeigefinger ausstreckt, in die Menge zeigt und seine Tiraden mit Wucht herausschreit? Doch Cave hat nichts zu verkündigen, er ist ein lautstarker Poet des Unterbewussten und der bösen, in uns schlummernden Triebe. "Evil" wird zum Schlüsselbegriff dieser Lyrik. Während Cave den gleichnamigen Song singt, krümmt sich der an Rasputin erinnernde Warren Ellis, Multiinstrumentalist der Band, auf dem Boden, tritt aus wie ein in Agonie liegendes Pferd und schreit: "Evil! Evil! Evil!". Ellis ist der andere Exzentriker der Vierer-Bande.

Vielleicht würde sich auch Schlagzeuger Jim Sclavunos diesem Treiben anschließen, bei dem Mikrofone und Tamburine achtlos weggeschleudert werden, Cave in der ersten Reihe immer wieder Hände schüttelt, doch Sclavunos kann seinen Platz hinter Trommeln und Becken nicht verlassen. Also prügelt er auf Blech und Felle ein, was das Zeug hält. Nur Bassist Martyn Casey rührt sich eineinhalb Stunden lang nicht vom Fleck. Stoisch holt er einen knochentrockenen Basslauf nach dem anderen aus seinem Instrument.

Das Publikum ist fasziniert von diesem Rock-'n'-Roll-Lärm. Der Spaß, den der geniale Künstler Nick Cave auf der Bühne hat, überträgt sich auf die Zuhörer. In diesem Moment ist jede Krise in weite Ferne gerückt, ob sie nun mit der Mitte des Lebens oder anderen Unpässlichkeiten zu tun hat.