Das Hamburger Telefonterroristen-Trio Studio Braun macht aus “Rust“ psychedelisches Volkstheater im Schauspielhaus

Hamburg. Studio Braun, jenes aus der Subkultur gekrochene Telefonterroristen-Trio, ist spätestens seit der immens erfolgreichen "Dorfpunks"-Schauspielhaus-Inszenierung nach Rocko Schamonis Jugenderinnerungen in der Provinz im Stadttheater-Mainstream angekommen. Dort hatte in der surrealen Waldszene eine Schnecke mit Namen "Rust" einen Kurzauftritt.

Schnell einigten sich Rocko Schamoni, Heinz Strunk und Jacques Palminger über den Flieger, der 1987 von Wedel aus eine Cessna 172 zum Roten Platz in Moskau steuerte, den nächsten Braun-Abend anzuzetteln. "Uns ist aufgefallen, wie unglaublich nah der Größenwahn und die kleinteiligste Spießigkeit hier in einer Person nebeneinanderliegen," sagt Jacques Palminger. "Das ist angewandte Depression und Manie. Also eine braune Mahlzeit."

Das Leben des Matthias Rust birgt so viel Material, dass es sich geradezu ideal für das "psychedelische Volkstheater" eignet. Für "Rust - Ein deutscher Messias", das am 21. Oktober Uraufführung im Schauspielhaus feiert, hat das Trio Infernale gründlich in Zeitungsberichten recherchiert. In einer frei assoziierten, modernen Fantasie hangelt sich der Abend an den Lebensdaten der Figur entlang. Die Geschichte des gebürtigen Wedelers ist eine der Selbstüberschätzung und zugleich des privaten Niedergangs. Rust verbüßte in Moskau eine Haftstrafe von 14 Monaten. Auch nach seiner Rückkehr sorgte er für Schlagzeilen. Mal soll er eine Schwesternschülerin während des Zivildienstes attackiert haben, weil sie sich ihm verweigerte, mal landete er wegen eines geklauten Kaschmirpullovers vor Gericht. Mehrfach wurde er wegen Betruges und anderer Delikte verurteilt. Heute bestreitet er seinen Lebensunterhalt nach eigenen Angaben als professioneller Pokerspieler und Veranstalter von Boots- und Autorennen in Estland.

Mit Fabian Hinrichs konnte Studio Braun einen echten Star für die Titelrolle rekrutieren. Hinrichs ist einem breiten Publikum aus der Verfilmung "Sophie Scholl - Die letzten Tage" bekannt. In diversen Inszenierungen an der Volksbühne wurde er fürs Unkonventionelle gestählt. Für seine Rolle in René Polleschs Solo "Ich schau dir in die Augen, gesellschaftlicher Verblendungszusammenhang!" kürten ihn die Kritiker der Zeitschrift "Theater heute" zum Schauspieler des Jahres.

Der Untertitel verweist darauf, dass sich Rust als Heilsbringer sieht. Gleichzeitig ist sein Verhalten für Palminger Ausdruck der Kälte und Langeweile Deutschlands während der Kohl-Ära. Auch sie soll auf der Bühne einer operettenhaften Parodie unterzogen werden: "Nach dem Motto 'mehr ist mehr' wird da ganz schön was abgefeiert."

Die Premiere am 21. Oktober ist nahezu ausverkauft, für die weiteren Vorstellungen am 29.10., 4.11., 12.11., 29.11. und 7.12. gibt es noch Karten in allen Preiskategorien.

Rust - Ein deutscher Messias Premiere Do 21.10., 20.00, Schauspielhaus (U/ S Hbf.), Kirchenallee 39, Karten von 14,50 bis 62,50 unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de