Das Gangster-Epos “Im Angesicht des Verbrechens“ kann es in Sachen Epik und Dramatik mit dem “Paten“ aufnehmen

Hamburg. Den Ritterschlag erhielt dieser riskante Versuch bereits vor zwei Wochen. Da wurde "Im Angesicht des Verbrechens" beim Deutschen Fernsehpreis nicht nur als bester Mehrteiler ausgezeichnet, auch das Ensemble wurde ausdrücklich gewürdigt. Doch Lobeshymnen hin oder her, der Sendeplatz am Freitagabend wird wohl auch eine Frage des Jugendschutzes sein: Der Mehrteiler von Regisseur Dominik Graf ist ein Gangster-Epos voller Sex & Crime und nicht nur deshalb ein Fremdkörper im ansonsten doch sehr braven öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Autor Rolf Basedow erzählt eine fortlaufende Handlung; genau genommen handelt es sich also um einen Film von gut sechs Stunden, den die ARD an sechs Abenden zeigt.

So viel Zeit ist auch nötig, um der Komplexität des Meisterwerks gerecht zu werden. Hauptfigur ist der junge Berliner Marek (Max Riemelt), ein Sohn baltisch-jüdischer Einwanderer, der zum Unmut seiner Familie Polizist geworden ist. Der einzige erkennbar Gute ist Mareks Freund und Kollege Sven (Roland Zehrfeld). Gegenspieler der beiden ist Mareks Schwager Mischa (Misel Maticevic), Besitzer des Restaurants Odessa, hinter dessen ehrbarer Fassade sich ein kriminelles Imperium verbirgt.

Davon allerdings hat Marek keine Ahnung, als er mitten hinein in einen Bandenkrieg gerät. Auslöser ist er selbst, als er in einem flüchtigen Gangster den Mörder seines vor zehn Jahren erschossenen Bruders erkennt. Beim LKA ist man derart beeindruckt von der Entschlossenheit des jungen Mannes und seines Partners, dass die beiden die Abteilung Organisierte Kriminalität verstärken sollen.

Mithilfe eines einfachen, aber enorm wirkungsvollen dramaturgischen Tricks gelingt es Dominik Graf und Rolf Basedow, den gut zwei Dutzend handelnden Figuren Kontur zu verleihen: Auf der Bühne dieses Films treten die einzelnen Charaktere immer wieder für längere Szenen nach vorn. Gleichzeitig erzählen diese Auftritte aber auch die Geschichte weiter, die einzelnen Ebenen verknüpfen sich geschickt miteinander.

"Im Angesicht des Verbrechens" kann es in Sachen Epik, Dramatik und Spannung mit dem Klassiker "Der Pate" aufnehmen. Grafs dichte Erzählweise sorgt immer wieder für Tempo, dosiert die Dynamik dabei aber sehr geschickt. Und dann sind da noch die vielen großartigen Schauspieler, die meisten mit Migrationshintergrund, die diesen Mehrteiler so sehenswert machen.

Im Angesicht des Verbrechens ab 22.10., freitags 21.45 Uhr ARD