Die Körber-Stiftung unterstützt eine Meisterklasse mit acht Stipendiaten zur Musikvermittlung

Hamburg. "Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen." Mit diesem weisen Satz hat schon der mittelalterliche Philosoph Augustinus das Anforderungsprofil für Musikvermittler formuliert - die wichtigste Aufgabe ist es, die eigene Begeisterung auf andere Menschen zu übertragen. Ein verantwortungsvoller Job, der die Zukunft des klassischen Konzertbetriebs mitprägen wird. "Bisher hat aber noch niemand gezielt nach solchen Talenten gesucht", meint Kai-Michael Hartig von der Körber-Stiftung. "Das wollen wir ändern." Deshalb startet jetzt eine auf eineinhalb Jahre angelegte Meisterklasse mit acht handverlesenen Stipendiaten, die nun erstmals zusammenkamen.

"Wir sind eine ziemlich wilde Mischung", bemerkt die Pianistin und Darstellerin Annekatrin Klein nach der Vorstellungsrunde. Das kann man wohl sagen: Im Fleetraum der Stiftung, mit Blick auf die Baustelle Elbphilharmonie, sitzen unter anderem eine promovierte Amerikanistin, die das Kulturamt im schwäbischen Heidenheim geleitet hat, eine Musiktheoretikerin aus Wien, die außerdem als Lachyoga-Lehrerin arbeitet - und die Hamburger Opernregisseurin und Dramaturgin Nadine Hellriegel. "Ich war selber erst mit 20 zum ersten Mal in einem klassischen Konzert und weiß, wie das ist, wenn man da einfach so reingepflanzt wird, ohne einen Bezug zu haben."

So funktioniert es eben nicht, das ist eher abschreckend - ebenso wie das Volltexten mit gut gemeinten Fachreferaten: "Wir sollten die Musikvermittlung aus der pädagogischen Umklammerung befreien." Da sind sich alle einig: Der Zeigefinger törnt ab. "Man muss Situationen schaffen, in denen der Hörer eine emotionale Beziehung zur Musik bekommen kann", findet Johannes Voit aus Dresden, einziger männliche Stipendiat. Und die Kulturwissenschaftlerin Lisa Stepf hakt nach: "Wie können wir bei den Menschen etwas zum Schwingen bringen? Wie sie zu einem Erlebnis hinführen?" Tja. Das ist sie wohl. Die Gretchenfrage.

Darüber diskutieren die jungen Musikvermittler mit erfahrenen Kollegen. Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard war ebenso dabei wie Musikhochschulpräsident Elmar Lampson. Er betont die Tragweite des Themas, indem er die Frage erweitert: "Wie verankere ich klassische Kulturhaltungen in einer Gesellschaft, in der diese Haltungen nicht entstanden sind?"

In der Musikvermittlung geht es nicht bloß darum, Konzertsäle zu füllen und möglichst neue Abonnenten zu ködern: Hier wird auch, ganz existenziell, über die Relevanz von Musik und Kultur für den Menschen nachgedacht.

Dass man dabei keinesfalls der "Leichtigkeitslüge" auf den Leim gehen darf, betont Markus Fein, der scheidende Hitzacker-Intendant und zukünftige Dramaturg der Berliner Philharmoniker: "Wir wollen dem Publikum eine Intensivierung des Hörens ermöglichen. Das ist eben kein schneller Zugang. Denn ich kann nicht etwas, mit dem jemand jahrelang gerungen hat, wie eine Schokoladenpackung verputzen."

Wie mitreißend Musikvermittlung funktionieren kann, demonstrierte Fein dann selbst im Konzert der Reihe "2 x hören", bei dem diesmal Jörg Widmanns "Fieberphantasie" auf dem Programm stand. Da eröffnete er den Hörern im Gespräch mit dem Komponisten, mit Filmausschnitten und Klangbeispielen eine Fülle möglicher Assoziationen und analytischer Hinweise: Lauter Einladungen zum Andocken, intelligent, quicklebendig, ganz ohne gedrechselte Gelehrsamkeit. Fein versteht es, die Lust an der Komplexität zu wecken - weil er selbst für die Sache brennt. Vielleicht gelingt es den Stipendiaten ja, sein Feuer weiterzutragen.