Überladen, mutlos, beliebig - die Ausstellung “Hitler und die Deutschen“ im Historischen Museum in Berlin lässt mehr Fragen offen, als sie beantwortet.

Berlin. Die Sorge stand dem Museumsdirektor ins Gesicht geschrieben. Professor Hans Ottomeyer, der die Ausstellung "Hitler und die Deutschen - Volksgemeinschaft und Verbrechen" verantwortet, wollte auf gar keinen Fall missverstanden werden. "Sorgfältig kontrolliert" habe man die 600 Exponate, beteuerte der Chef des Deutschen Historischen Museums zu Berlin. Und dass es der Ausstellungsarchitekt selbstverständlich vermieden habe, sich auf die Ästhetisierung der NS-Zeit einzulassen. Weshalb man nun sicher sei, mit dieser Schau "nicht die falschen Leute" anzuziehen ...

Ottomeyer ist ein gebranntes Kind. Sein erster Versuch, eine Hitler-Ausstellung zu zeigen, ist vor sechs Jahren am Veto seines Beirats gescheitert. Kein Wunder, dass er jetzt nichts mehr wagen wollte. Die auf 1000 Quadratmetern ausgebreitete Schau ist so defätistisch wie der Hausherr. In acht Kapitel gegliedert, kommt sie überladen und bieder daher. In Schaukästen und Vitrinen findet sich militärischer Plunder neben typischen Alltagsgegenständen der 30er- und 40er-Jahre und völkischem Kitsch - und weder die mit SS-Runen verzierten Manschettenknöpfe noch SA-Standarten, geschweige denn Marschallstäbe oder Hitler-Büsten führen zu irgendwelchen Erkenntnissen. In der dargebotenen Fülle sind die Devotionalien des Dritten Reiches von erstaunlicher Hässlichkeit. Alles in allem hinterlässt die Auswahl den Eindruck von großer Beliebigkeit.

Zeigt man die Souvenirs von den Olympischen Spielen 1936 aus irgendeinem anderen Grund als dem, dass man sie hat? Oder den Lampion mit Hakenkreuz? Warum die Ausstellungsmacher ein Sideboard aus der Neuen Reichskanzlei aus den Magazinen heraufgewuchtet haben, bleibt ebenfalls ihr Geheimnis. Die Remington-Reiseschreibmaschine, "auf der Hitler angeblich Teile des Manuskripts von 'Mein Kampf' geschrieben haben soll", bewegt sich allerdings deutlich unter dem Niveau eines Museums, das seine Existenz einer von der Bundesrepublik Deutschland getragenen Stiftung verdankt.

Aus Angst vor der Wucht und der Ästhetik des Dritten Reiches, die sich keineswegs in kitschigen Devotionalien erschöpfte, werden die Dokumentarbilder in der Berliner Schau klein gehalten. Die Friese aus bewegten und unbewegten Schwarz-Weiß-Bildern, die die Kabinette übermannshoch umlaufen, lassen die Suggestion, die Hitler auf die Deutschen ausübte, kaum noch erahnen. Der große Diktator wird so zusammengeschrumpft, dass man die Zeugnisse des Jahrhundertverbrechens zwar sieht, aber nur noch akademisch nachvollziehen kann, warum die Deutschen Hitler bis zum bitteren Ende die Nibelungentreue hielten.

Es gebe eben Tabus, hat Hans Ottomeyer gestern gemeint. Und zu diesen Tabus gehöre es, dass man "persönliche Gegenstände oder Relikte aus dem direkten Gebrauch Adolf Hitlers" nicht präsentieren dürfe, die bekanntlich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München unter Verschluss gehalten werden. Warum eigentlich? In der Ausstellung finden sich schließlich ein paar vergilbte Zettel, die als Redenotizen Hitlers ausgewiesen sind und den Betrachter weder erschrecken noch schockieren, denen er nur entnehmen kann, dass der Diktator eine etwas eilige Handschrift hatte.

Andererseits mochte Ottomeyer nicht einmal das berühmt-berüchtigte Gemälde von Hubert Lanzinger, das Hitler als eine Art Sankt Georg mit Hakenkreuz-Banner hoch zu Pferde zeigt, in seine Ausstellung nehmen, obwohl es in Berlin bereits in zwei anderen Ausstellungen zu sehen war (und damals auch keine Neonazis hinter dem Ofen hervorgelockt hat).

Fazit: Die erste große Hitler-Ausstellung schreckt vor ihrem Sujet zurück, weil die Ausstellungsmacher Angst vor ihrer eigenen Courage hatten. Die von Museumsdirektor Ottomeyer beschworene Kontrolle wirkt wie vorauseilende Selbstzensur.

" Hitler und die Deutschen - Volksgemeinschaft und Verbrechen", bis 6.2.2011, Deutsches Historisches Museum zu Berlin, Unter den Linden 2. Täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 5 Euro, Jugendliche bis 18 J. Eintritt frei. Katalog 25 Euro