Eine Ausstellung des Berliner Allround-Künstlers Peter Rösel erzeugt Kollisionen voller Hintersinn im Ernst-Barlach-Haus

Hamburg. Auf dem Boden des Innenhofes im Ernst-Barlach-Haus ruhen Seerosenblätter aus sattgrünem Stoff. Weiße Blüten erheben sich auf steinernem Grund. Erst auf den zweiten Blick fallen hier und da aufgenähte Knöpfe ins Auge. Sie wirken, als hätte sie jemand dort auf dem Boden vergessen. Was wie ein Versehen scheint, ist jedoch Absicht - ironisch verweist der Schöpfer des "Seerosenteiches" (1997) auf die Herkunft des Stoffes.

Hier, wie auch in der "Dornenhecke" (2008) oder der "Moringa" (1998), hat er ausrangierte Polizeiuniformen und -unterwäsche zu Pflanzenstauden verarbeitet. Unweigerlich befallen den Zuschauer Assoziationen an das Elend von Gummibäumen, die auf Büroetagen vor sich hindämmern. Lustvoll-ironisch stellen die Objekte Individuelles und Uniformiertes, Technik und Natur einander gegenüber. Die Natur hat jedoch ihre Ursprünglichkeit verloren, ist das Produkt kultureller Prägung. Mit Vorliebe stellt der in Berlin lebende Allround-Künstler Peter Rösel sein Material in sachfremde Kontexte und erzeugt eine Kollision voller Hintersinn. Die Objekte markieren nur einen Teil von Rösels vielseitiger Kreativität.

In der Schau "Tizian-, Rembrandt-, Leonardo-Spezial Automatic" gibt das Ernst-Barlach-Haus von diesem Sonntag an bis zum 9. Januar kommenden Jahres anhand von Bildern, Objekten und Videos einen umfassenden Überblick über Rösels Schaffen.

Museumsdirektor Karsten Müller setzt damit die mit Mariella Moser begonnene Tradition fort, die Werke eines zeitgenössischen Künstlers zu jenen des expressionistischen Bildhauers Ernst Barlach aus der ständigen Ausstellung in ein Spannungsverhältnis zu setzen. 1966 im pfälzischen Rockenhausen geboren, wuchs Peter Rösel in Marokko und im Irak auf und lebte und arbeitete fortan in Frankfurt und New York. Heute ist Berlin Ausgangspunkt seiner ausgedehnten Reisen. Immer wieder hinterfragt er die Errungenschaften unserer Zivilisation.

In den Gemälden seines "Fata Morgana Painting Projects" hat Rösel seine Staffelei in der für ihre starken Luftspiegelungen bekannten Wüste Namibias aufgestellt. In diese extrem lebensfeindlichen Landschaften setzt er unwirkliche Erscheinungen, die eher an Gegenstände als an Oasen erinnern. In einer jüngeren Aquarellserie hat er das Thema erneut aufgegriffen. Ist dicht herangezoomt an junge, urban wirkende Afrikaner, Schulmädchen und Müllentsorger in karger Wüstenlandschaft. In ihrer globalisierten Kleidung wirken die Figuren in dieser Umgebung eigentümlich fremd.

In den Exponaten eines als "Heimatmuseum" betitelten Raumes finden sich ausrangierte DDR-Glühbirnen ebenso wie in Bronze gegossene Kaugummikugeln. Eine besondere Referenz an Hamburg liefern die "Buddelschiffe" (2004-2006). Die Königsdisziplin aller Hobbybastler konterkariert Rösel mit alten PET-Flaschen, in deren Inneren er anstelle filigraner Schiffstechnik Müll auf Müllsackfetzen platziert hat. Diese Reste ergänzen Texte von Expeditionsteilnehmern, die Rösel mithilfe eines Computerübersetzungsprogramms absurd verfremdet hat.

In seinen jüngsten Arbeiten hat er Fernsehtruhen der 50er- und 60er-Jahre wie "Tizian" oder "Leonardo", die der Ausstellung ihren klangvollen Namen geben, mit Video-Loops versehen. Eine überlebensgroß projizierte Wespe, die einem japanischen Horrorstreifen entstammen könnte, turnt im Cockpit eines abhebenden Hubschraubers. Modernste Videotechnik steht im Spannungsfeld zu den altehrwürdigen Möbeln. In jedem Raum lauert eine Überraschung, die einen schmunzeln oder nachdenken lässt.

Peter Rösel - Tizian-, Rembrandt-, Leonardo-Spezial Automatik bis 9.1.2011, Ernst-Barlach-Haus, Jenischpark, Baron-Voght-Straße 50a, Di-So 11.00-18.00; www.barlach-haus.de