Der klassische Kommissar im Zentrum des Geschehens ist nicht ihr Fall. Action um der Action willen mag sie gar nicht. Und Leichen am Fließband produziert sie in ihren Büchern auch nur ungern - Carmen Korn ist keine Frau für konventionelle Krimis.

Entsprechend entwickelt sie ihre Geschichten anders als andere und auf hohem Niveau: konzentriert und ruhig. Zielstrebig und mit gutem Gefühl für Tempo. Mit viel Raum für Atmosphäre und Lokalkolorit, ganz ohne Klischees. Charakteristika, die auch in "Tod eines Politikers" zum Tragen kommen. Den zweiten und besten Band der Reihe, die nach ihrer Leitfigur die Vera-Lichte-Romane genannt werden, hat Carmen Korn 2005 erstmals veröffentlicht.

Am Anfang ist die Leiche: Ein junger Mann mit einem Loch in der Stirn liegt zwischen Binsen und Bärenklau im Alsterschilf in der Nähe des noblen Stadtteils Uhlenhorst. Aus dem Schlamm führt seine Spur die Ermittler Stück für Stück in einen braunen Sumpf, der hinter feinen Fassaden liegt. In dem Morast wühlen vier Stadtpolitiker, vordergründig ehrenwerte Mitglieder der Gesellschaft, tatsächlich aber allesamt auf Nazi-Pfaden unterwegs. Ihr Ziel: ein Bollwerk gegen den Islam und die vermeintliche Überfremdung errichten. Gleichzeitig ist ein junger Journalist verschwunden, der kurz davor war, die skandalösen Umtriebe aufzudecken. Immer stärker verdichten sich die Indizien dafür, dass die Fälle des Toten im Schilf und des Vermissten denselben Hintergrund haben.

Mindestens so eng wie der Gang ihrer Geschichten liegen Carmen Korn ihre Protagonisten am Herz: "Ich spreche lieber von den Menschen in meinen Geschichten, nicht von Figuren." Drei Menschen bilden in "Tod eines Politikers" das Stammpersonal. Da ist zunächst Vera Lichte, Ende 30, ansehnlich, wohlhabend dank des väterlichen Erbes, gesangsbegabt und kürzlich verwitwete Mutter eines Sohnes im Säuglingsalter. "Vera ist reicher und schöner als ich und hat einige Kilo weniger, aber sie ist trotzdem mein Alter Ego, nicht nur, weil unsere Väter beide Schlagerkomponisten waren", sagt Korn. Stets an Veras Seite ist die leicht skurrile Anni, in Personalunion Amme, mütterliche Freundin und Haushälterin. Und schließlich ist da noch Nick, der gern mehr wäre als nur Veras guter Freund. Er ist Pressefotograf und Polizeireporter, aber auch ein Mann, der mit seinem Leben nicht wirklich klarkommt. "Nick habe ich ganz besonders gern", sagt Carmen Korn, "er ist ein Sorgenkind, und man neigt dazu, Sorgenkinder besonders liebzuhaben."

Wie und warum die drei mit dem "Tod eines Politikers" befasst werden, ist zu spannend, um es zu verraten. Auf jeden Fall wird das Trio durch Kommissar Pit Gernhardt, einen ganz konventionellen Ermittler, zum Quartett. Die Ermittlungen führen in die Nähe von Husum und auch nach Holland. Dabei lüftet Carmen Korn in einem zweiten Handlungsstrang behutsam ein weit in der Vergangenheit begründetes Familiengeheimnis - Ausdruck für das große Interesse der Autorin speziell an den Schicksalen in Nazi-Deutschland.

Carmen Korns starker Krimi "Tod eines Politikers" kostet 9,95 Euro.