Auf “Abändern“ demonstriert der Pop-Dandy Jens Friebe mit Boheme-Hymnen und verstörenden Songs seine neue Liebe zum Piano.

Die neue Platte von Jens Friebe, sie ist wie ein Aufmerksamkeitstest. Seinen vierten Longplayer "Abändern" eröffnet der Berliner Pop-Dandy direkt mit dem feinen Hit "Theater". In diesem Song feiert das lyrische Ich den Narzissmus, in dem es sich selbst nonchalant zur Kunst überhöht: "Und meine Worte sind Musik/und meine Augen sind ein Bild/und meine Liebe ist Theater,/das für immer in mir spielt." Und sofort weht sie einen an, diese friebsche Welt mit ihrem geheimnisvollen Glamour, ihrer abgewetzten Schönheit, wie er sie schon auf dem Vorgängeralbum "Das mit dem Auto ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert" geschaffen hat.

Und an diesem "Theater"-Hit, der auch die erste Singleauskopplung ist, bleibt der Hörer hängen wie am Diskokugelglanz im Nachtleben. Das Lichterflackern fasziniert so sehr, dass das Dunkle dahinter zunächst nicht sichtbar scheint. Doch bei Friebe, dem studierten Musikwissenschaftler, Anglisten und Philosophen, dem schriftstellernden Hauptstadtflaneur und singenden Ausgeh-Archivar, lohnt sich der Blick in schummrige Ecken, das Weiterhören bis hin zu den rätselhaften Songs.

Im Schluss-Stück "Irre" etwa erzeugt Friebe eine Aura morbider Zärtlichkeit. Fürsorglich beschwichtigt er ein nicht näher definiertes Du im Raucherraum: "Tu dir kein Leid an,/wir sind alle noch hier". Die Protagonisten, sie flirren durch "Flure voll Wahnsinn" zu Moll-Tönen und Dissonanzen. Die Lyrics schildern den Besuch in einer Nervenklinik, wie die Info des Labels ZickZack erläutert. Nicht weniger verwirrend, aber dringlicher im Sound ist die homoerotisch aufgeladene Nummer "Verbotene Liebe". Friebe hat das Piano als Spielzeug wieder neu entdeckt. Und er bearbeitet es im hämmernden Stakkato. Dazu wirkt Chris Imler am Schlagzeug nicht minder ruppig.

Soeben konnte die Jens-Friebe-Band ihr charismatisches Potenzial auf einer Tour mit dem Goethe-Institut durch den Irak testen. Inklusive Tokio-Hotel-mäßiger Signierstunde. Kein Wunder, spielten sie doch vormittags vor pubertierenden Schülern. Ein schöner Kulturtransfer ist das. Etwa mit einem schmissigen Song wie "Königin im Dreck", in dem Friebe sein Faible für aristokratische Metaphern fortsetzt. Der 34-Jährige kann eben beides, Verstörungsstücke und Boheme-Partykracher. "Sei Mein Plus Eins" zum Beispiel ist der perfekte Vorglüh-Song, falls "Theater" dann doch mal runterkommt von der Repeat-Taste.

Und wenn dann alle richtig schön aufgekratzt sind wie beim Kindergeburtstag nach zu viel Limo und Süßigkeiten, ist die Runde reif für den Titeltrack "Up & Down". Der Vengaboys-Fan Friebe hat den Eurodance-Klassiker der Niederländer gecovert. Doch als der von Bassistin und Gitarristin Julie Miess angeführte Frauenchor den Dada-Refrain, besagtes "Up & Down", sang, verstand Friebe versehentlich "abändern". Ein guter Verhörer, verleiht es dem überdrehten Track doch einen progressiven Dreh.

Die Gefühle, sie sind nicht schwarz-weiß im Kosmos des Friebe. In "Charles de Gaulle" besingt er die Erschöpfung, die in der Trennung liegt. Mit "Alles über die Welt" schenkt er uns aber auch ein unprätentiöses Liebeslied über den Moment, wenn in einem Kuss alles vergessen und zugleich hoch präsent ist. Das Klavier in diesem Stück klingt wie ein altes Jahrmarktinstrument, die Bläser tönen tief im Herzen und der elektronische Beat schlurft wie ein träger Bossa-Nova-Tänzer.

Friebe beherrscht sie bestens, die Kunst, einen gewissen Trash-Charme der Musik mit anachronistischer Eleganz zu verquicken. Die Texte sind ein wenig assoziativer geraten, nicht mehr ganz so sehr in griffige Geschichten gegossen wie früher. Aber es gibt wie eh und je Zeilen, Bilder und Poesie, die im Kopf auf Dauerrotation bleiben. "Ich kann kein Blut sehen,/wenn du es mir nicht zeigst" wäre so ein Vers. Oder "Und es klingelte und sie ging hin./Und durch die Gegensprechanlage hörte sie Vögel". Sehr aufmerksam.

Jens Friebe: Abändern (ZickZack/What's So Funny About). Live: 3.12., Uebel & Gefährlich