Die “Brandenburgischen Konzerte“, gespielt von Le Petite Bande
Längst sind die Zeiten vorbei, in denen von akademischem Forscherdrang genötigte Alte-Musik-Experten gerade den alltagstauglichen Werken der Barockliteratur Radikalkuren angedeihen ließen. Die heutigen Neuinterpretationen suchen, jenseits von klanglicher Revolution und der Idee, man müsse sie vom Kopf auf die Füße stellen, neue Balancen. So wie Sigiswald Kuijken, der Flame, der schon in seiner bemerkenswerten Reihe von Bach-Kantaten das Prinzip ultimativer Transparenz vor alle anderen stellt. Er besetzt die Chöre solistisch, neuerdings sogar selbst bei der gewaltigen Matthäus-Passion. Das Ergebnis ist eine Zartheit und Durchsichtigkeit, mit der bestenfalls ein unberührter Bergsee konkurrieren kann.
Immer wieder packt Kuijken auch Bachs "Brandenburgische Konzerte" an. In der Neuaufnahme mit seiner Petite Bande besetzt er die ersten beiden Konzerte auch für die Tutti solistisch. Und bricht natürlich eine Lanze für das von ihm wiederentdeckte, um den Nacken zu hängende "Violoncello da spalla", das zu Bachs Zeit gebräuchlich war, dann aber in Vergessenheit geriet und heute zumindest optisch ausgesprochen skurril wirkt.
Verblüffend sind aber auch Virtuosität und Risikobereitschaft, mit denen Jean-François Madeuf den verzwickten Trompetenpart auf einer kompromisslosen Barocktrompete spielt - ohne Ventile oder Grifflöcher.
All diese klanglichen Modifikationen im Bemühen um größtmögliche Authentizität verblassen aber vor der heiteren Gelassenheit, mit der Kuijken seine Tempi wählt. Sie wirken unaufgeregt, sie atmen und sind dem Leben abgeschaut. Für ihn und seine Mitstreiter sind Bachs Noten nicht nur Vorlage für technische Perfektion, er bringt die "Brandenburgischen" mit einem hörbar liebevollen Swing auf den Weg, der diese Aufnahme zu einem modernen Klassiker machen wird.
J.S. Bach: Brandenburgische Konzerte Sigiswald Kuijken, La Petite Bande (Accent)