Beim Hamburger Theater Festival gastiert Barbara Sukowa mit “Quartett“ auf Kampnagel. Ein Stück, das Liebe wie eine Versuchsanordnung verhandelt.

Hamburg. "Das Aufregende an dem Abend ist diese Schlacht zwischen zwei Menschen, bei der es irgendwie um Leben und Tod geht", sagt Barbara Sukowa, wenn sie über "Quartett" spricht, die Aufführung, mit der sie Donnerstag und Freitag beim Hamburger Theater Festival gastiert. "Sie spielen am Rande eines Abgrunds miteinander, benutzen die Sprache als Waffe. Jeden Abend entdecken wir ein neues Machtmittel, mit dem wir den anderen überraschen." Kein Wunder. Schließlich geht es hier um Geschlechterclinch und Selbstverwirklichung. Und natürlich um die Liebe.

Das Stück ist eine Art Skelettfassung über die Marquise de Merteuil und den Comte de Valmont, zwei Figuren, die wir aus der grandiosen Kinoversion von "Gefährliche Liebschaften" kennen. Die zwei spielen mit der Liebe, als sei sie eine wissenschaftliche Versuchsanordnung. 2007 kam Barbara Freys Inszenierung, in der Sukowa neben dem niederländischen Bühnenstar Jeroen Willems spielt, bei den Salzburger Festspielen heraus. Inzwischen gab es Gastspiele in vielen Städten und Ländern. "Ich habe das Angebot angenommen, weil es zeitlich begrenzt war", sagt Sukowa, die seit fast 20 Jahren in New York lebt. "Ich kann ja nicht einmal die Woche zu einer Vorstellung anreisen. Und natürlich hat mich die Rolle gereizt. Jeroen Willems ist ein toller Schauspieler. So kam alles zusammen, was gut war."

Entdeckt hat Rainer Werner Fassbinder Barbara Sukowa 1976 am Hamburger Schauspielhaus. Als er dort Claire Bothes "Frauen in New York" inszenierte, ein Stück, in dem nur Frauen mitspielen. Die junge Sukowa ließ Fassbinder auch in einer Badewanne voller Schaum sitzen. Damals gab es einen Dauerzuschauer, der immer 1. Reihe links saß, dort wo die Wanne nah stand.

Vielleicht war es gar nicht schwer, Barbara Sukowa zu entdecken, die vielseitig begabte Schauspielerin mit der blonden Mähne, die schon allein mit ihrem energisch wiegenden Gang auf sich aufmerksam machen kann. Schüchtern sind andere. Sie ist selbstbewusst, (heraus)fordernd, nachdenklich. "Ich bin zum Theater gegangen, weil ich mich für Literatur interessiere", sagt sie.

Barbara Sukowa gehörte von 1976 bis 1980 zum Ensemble des Schauspielhauses. An dem damals bedeutendsten deutschen Theater war sie ein Star. Neben der anderen jungen Frau, Eva Mattes, die eher für die weichen, mit viel körperlichem Einsatz zu spielenden Rollen besetzt wurde, war Sukowa die strenge, widersprüchliche Darstellerin, die hinter ihre Rollen Ausrufe- und Fragezeichen zu setzen wusste. Sie spielte bei Flimm, Luc Bondy und konnte wahnsinnig komisch am Karl-Valentin-Abend sein.

Durch Fassbinder wurde sie bald ein Filmstar. In seiner 13-teiligen TV-Serie "Berlin Alexanderplatz" war sie die "Mieze" und wurde mit einem Darstellerpreis ausgezeichnet. Sie war die fesche "Lola" im Kino oder "Rosa Luxemburg" bei Margarethe von Trotta, eine Rolle, für die sie bei den Filmfestspielen von Cannes die Goldene Palme bekam. Sie spielte in Schlöndorffs "Homo Faber", in Lars von Triers "Europa", drehte eine US-Serie, spielte in französischen Filmen, gastierte als Sängerin mit Schönberg- und Schubert-Liedern und siedelte schließlich nach New York über, wo sie seitdem mit dem Multimedia-Künstler Robert Longo zusammenlebt. Mit ihm hat sie auch die Rock-Band X-Patsys gegründet.

Barbara Sukowa hat - scheinbar unangestrengt - eine internationale Karriere gemacht. Drei Söhne hat sie auch bekommen und ein ziemlich aufregendes Leben im New Yorker Stadtteil Brooklyn geführt.

Doch seit ein paar Jahren arbeitet sie wieder im deutschsprachigen Raum. Was ihr jetzt an Deutschland auffällt? "Es ist ethnisch wesentlich bunter als vor 20 Jahren. Ja, und sauber ist es hier. Früher habe ich solche Äußerungen über Sauberkeit immer doof gefunden. Aber heute finde ich es wunderschön, dass es hier so ist", sagt sie. Und lacht.

Quartett: 14., 15. Oktober, 20 Uhr, Kampnagel, Eintritt: 35-39,50 Euro, T.: 571 20 31 Barbara Sukowa gastiert auch mit ihrer Rockband X-Patsys am 24. Oktober in Bremen im Schlachthof, am 25. im Schiller-Theater in Berlin