Volker Lechtenbrink spielt den “Hauptmann von Köpenick“: Ohne Arbeit erhält der Mensch keine Papiere. Ohne Papiere bekommt er keine Arbeit.

Ohne Arbeit erhält der Mensch keine Papiere. Ohne Papiere bekommt er keine Arbeit. Ohne Arbeit und Papiere ist er sozusagen kein Mensch. Um aus diesem Teufelskreis seiner formalen Nichtexistenz auszubrechen, kommt Wilhelm Voigt 1906 auf die Idee, sich in geborgter Hauptmannsuniform endlich einen Ausweis im Rathaus von Köpenick zu beschaffen. Im preußischen Staat, in dem die Uniform mehr gilt als der Mensch, schlägt der pfiffige Schuster und Sträfling das ihn knebelnde System mit seinen eigenen Waffen.

Carl Zuckmayer hat nach dem wahren Fall ein Stück über den Schelm aus purem Überlebenswillen geschrieben. "Der Hauptmann von Köpenick" gehört seit seiner Uraufführung 1931 am Deutschen Theater in Berlin zu den meist aufgeführten Komödien. Sie ist für Thomas Mann nach Gogols "Der Revisor" gar die beste Komödie der Weltliteratur. Und bietet außerdem eine Bombenrolle, in der viele berühmte Schauspieler brillierten: Von Werner Krauß in der Uraufführung über Erich Ponto, Max Adalbert, Werner Hinz, Rudolf Platte, Carl Raddatz - und natürlich Heinz Rühmann, bis zu Harald Juhnke und Katharina Thalbach.

Volker Lechtenbrink ist von Zuckmayers kraftvollen Figuren fasziniert

Nun erfüllt sich für Volker Lechtenbrink ein lang gehegter Traum. Er spielt in Wolf-Dietrich Sprengers Regie den Rebellen gegen die Obrigkeit. "Der Wilhelm Voigt gehört zu meinen Wunschrollen", sagt der Schauspieler, der gerade als Präsident Nixon in "Frost/Nixon" an den Kammerspielen einen persönlichen Erfolg feiern konnte und für seine "herausragende Darstellung" mit dem Rolf-Mares-Preis 2010 ausgezeichnet wird. Lechtenbrink ist von Carl Zuckmayers Schauspielen und der Kraft seiner niemals eindimensionalen Figuren fasziniert. "In ihren Konflikten mit der Gesellschaft gewinnen sie eine Aktualität und wirken zeitlos - auch der 'Hauptmann'. Denn ohne Pass bekommen Menschen, ob sie Deutsche oder Immigranten sind, keine Aufenthaltserlaubnis und Arbeit. Sie haben quasi keine Identität."

Zum Dramatiker und Schriftsteller Carl Zuckmayer (1896-1977) hat der beliebte Hamburger Charakterdarsteller mit der markant rauchigen Stimme einen "besonderen Draht". Zu seinen Lieblingsbüchern gehört Zuckmayers Autobiografie "Als wär's ein Stück von mir". Die Seelenverwandtschaft mit dem Dichter und Dramaturgen bei Brecht, der auch als Bänkelsänger aufgetreten ist und mehrfach verheiratet war, genau wie Lechtenbrink, inspirierte den Schauspieler wohl auch zu seinem eigenen Buch "Gib die Dinge der Jugend mit Grazie auf! Mein Leben", das im Frühjahr bei Hoffmann und Campe erschienen ist.

Der Hauptmann von Köpenick Ernst-Deutsch-Theater (Bus/U Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1; Karten für die Vorstellungen bis 13.11. von 15,- bis 31,- T. 22 70 14 20; www.ernst-deutsch-theater.de