Die Galerie Dorothea Schlueter zeigt zur Eröffnung großformatige Kugelschreiber-Zeichnungen von Michael Deistler

Altona-Altstadt. "Aber wer, in Gottes Namen, ist Dorothea Schlueter?", raunte es vor wenigen Wochen in Hamburgs Kunstkreisen. Gemeint war die Ankündigung einer neuen Galerie. Personal ist bekannt, Künstler ist bekannt, nur der Name irritierte. Wer also verbirgt sich hinter jener Frau, in deren Namen gestern Abend eine Galerie am Nobistor eröffnet hat?

Keine x-beliebige Galerie, vielmehr die fast konsequente Fortführung des erfolgreichen Kunstprojektraums trottoir auf St. Pauli. Schon vor mehr als einem Jahr planten seine drei Betreiber - Sebastian Reuss, Nora Sdun und Goor Zankl - den Schritt in die Eigenständigkeit. Nun ist es so weit, und Dorothea Schlueter gibt sich in den Räumen einer ehemaligen Apotheke die Ehre. Doch auch die Jung-Galeristen halten sich in der Frage der Namensgebung bedeckt. So viel ist sicher: Mit dem Namen wird kein Kunstverwirrspiel getrieben. Frau Schlueter existiert. Und Frau Schlueter, vergewissern sie, hat Kunstsinn.

Kunstsinn aber bewiesen zunächst die drei Neu-Galeristen. Am längsten dabei ist Nora Sdun. Die ehemalige HfbK-Studentin hob vor acht Jahren, damals noch mit einem anderen Partner, das trottoir aus der Taufe, ein Kunstschaufenster, das nur vom Bürgersteig einzusehen war. Später dann ein eigener Raum, und mit den Jahren wuchs das trottoir zu einem der Hamburger Dreh- und Angelpunkte für junge Hamburger Kunst. Darüber hinaus brillierte Nora Sdun - die sich mit alle Kritik vorwegnehmendem Understatement auch gern als "Kultur-Trulla" bezeichnet - mit weiteren Partnern durch die Gründung des Textem-Verlags.

Dessen Vorzeige- wie auch Low-Budget-Magazin "Kultur & Gespenster" avancierte zur Lieblings-Lektüre deutscher Feuilletons. Mit dem Kultur- und Medienmanager Goor Zankl weiß die Galerie einen Mann für alle geschäftlichen Belange sicher. Und gemeinsam mit Nora Sdun wird Sebastian Reuss für das Programm der Galerie sorgen.

Als Künstler, erfahren in der Wandelbarkeit von Räumen, aber auch in der Erfindung neuer Lebenswirklichkeiten - was er mehrfach zusammen mit Kollege Lutz Krüger bewies - will Reuss den Galerieraum künftig flexibel gestalten. Im Kunsturteil uneins sind sich Neuss und Sdun des Öfteren. "Nicht problematisch, sondern synergetisch", wie beide versichern. Reuss überzeugt die unmittelbare Präsenz der Kunst, Nora Sdun deren theoretische Untermauerung. Resultat: Das Statement "Das Programm sind wir", das sich auch mit Künstlern außerhalb Hamburgs gestaltet.

Einig sind sich alle in einem angenehmen, keineswegs übertriebenen Selbstvertrauen. "Wir haben Machbarkeitsfantasien. Warum nicht?" Neue Töne inmitten Hamburgs kultureller Klagemauerwelt und eines keineswegs lukrativen Galeriebusiness. In geradezu salomonischer Manier entschieden sich die Galeristen für Michael Deistler als Künstler für ihre Premiere. Damit verzichteten sie bewusst auf Nachwuchs aus dem eigenen Stall.

Deistler gehört vielmehr zu einer Generation, die für sich in unterschiedlichen Ansätzen die Machbarkeit von Bildern auslotet. Was lässt sich nach dem berühmten "Ausstieg aus dem Bild" wieder oder noch als Bild entwerfen? Eine Zeit lang suchte Deistler in großformatigen Kugelschreiber-Zeichnungen die Lösung. In diesen Blättern - 16 von ihnen werden jetzt ausgestellt - formten sich zum Teil selbst generierende Raster, die Deistler bis in die kleinsten Winkel zu virtuosen Bildmustern auszeichnete. Mit ihrer Hinwendung zu Kalligrafie und Schrift lassen sie sich durchaus der traditionell niederländischen "penschilderij" zuordnen. Aber ihre sich selbst erzeugenden Motive sprechen dann doch von einem anderen, mehr experimentierenden Zeitgeist.

Galerie Dorothea Schlueter Mi-Sa 14.00-18.00, Nobistor 36 (S Königstraße), T. 31 97 37 63; www.dorotheaschlueter.com ; die Arbeiten von Michael Deistler sind bis 30.10. zu sehen