Zu meiner ersten Buchmesse '99 fuhr ich mit kindlicher Ehrfurcht vor Literatur. Geprägt von Hunderten Stunden, die ich zusammengeschnurrt in der Stadtbibliothek verbracht hatte, unter jedem Buchdeckel ein Geheimnis über die Welt erhoffend (und auf eine Weise findend, wie es nur in jungen Jahren möglich ist), hielt ich Bücher für das unbezahlbarste Gut aller Zeiten. Sie erzogen mich in allem, was zur Menschwerdung dient. Die Buchmesse musste also so was wie das Lourdes der Seelenweisen sein! Und ich war eingeladen, mit meinem unbeholfenem Debüt, würde mit Johannes Mario Simmel beim Dinner sitzen, und vermutlich ohnmächtig werden.

Tja. Und dann Frankfurt. Ich erwachte aus seidigen Träumen und fand mich in einer Papierfabrik wieder. Hunderttausende Bücher, in denen selten einer blätterte. Katzenhaft lächelnde Verleger. Lektoren, die Gouvernanten allzu unruhiger Texte. Agenten mit Bluffergesicht, Buchhändler mit Taschenrechner im Ärmel. Und Schriftsteller, die mal abgeklärt, mal verstört auf das Treiben sahen, das einer Schweinehälftenbörse glich. Die eingeladenen Autoren wurden beschmeichelt, die nicht eingeladenen mit ein paar Keksen beiseitegeschoben. Das hatte mir kein Buch beigebracht: dass es ein Produkt ist. Das sehr wohl gemessen werden kann: in Auflage und Listenplätzen, in die Anzahl der Sekunden, die ein Vertreter verwendet, es dem Buchhändler zu empfehlen, in Zeilen, die das Föjton ihm widmet, in Metern, die es von der Kasse entfernt gelegt wird. Der Verfasser des Buches stört in diesem Handelsweg, sofern er keinen der weltweit nur tausend "großen" Namen trägt. Er zählt erst wieder, wenn er seinen stillen Dialog mit dem Leser hält und ihn in seinen unbezahlbaren Zauber hüllt.

Das Litera-Dinner im Hotel Steigenberger Anlässlich der 20-jährigen Städtepartnerschaft Hamburg-Prag liest Carsten Krabbe aus Franz Kafka. Mi 20.10., 19.00 (U Rödingsmarkt) Heiligengeistbrücke 4, 46,- (inkl. Aperitif, 3-Gänge-Menü, Lesung). Reservierung erforderlich unter T. 36 80 60.