Witzig-originell bringt Regisseur David Marton Monteverdis “Poppea“-Oper als musikalisch-theatralische Collage auf die Thalia-Bühne.

Hamburg. Wer es schafft, musikwissenschaftliche Insiderwitze über Spätrenaissance-Aufführungspraktiken in einer Inszenierung für eine Sprechtheater-Bühne unterzubringen und dafür Lacher zu ernten, hat als Regisseur seine Hausaufgaben wirklich gründlich gemacht. Man hätte mit Fug und Recht skeptisch sein dürfen, ob es eine so richtig gute Idee ist, ausgerechnet Monteverdis "L'incoronazione di Poppea" auf die Thalia-Bühne stellen zu lassen; ein hochartifizielles Meisterwerk, an dessen Anforderungen auch Opernhäuser schon mal scheitern können. Doch David Martons musikalisch-theatralische Variationen über das römische Lotterleben zu Zeiten von Kaiser Nero entpuppten sich als das reine Vergnügen, für erfahrene Opernkenner ebenso wie für Neulinge. Vielleicht sogar erst recht für Neulinge.

Diese "Poppea" ist intellektuell anspruchsvoll, poetisch und geistreich, hier und da kurios skurril, aber stets mit Respekt für die Traditionen und Distanz zu den Dünkeln, die allenthalben noch mit dem Operngenre verbunden sind. Allein Martons amüsante Idee, die ansonsten so unantastbaren Übertitel fremdsprachiger Opern zu ironischen Kommentaren oder inneren Dialogen der Handelnden umzumodeln, hat einen subversiven Charme, dem man sich über die zweistündige Spieldauer hinweg nicht entziehen kann.

Gezeigt werden Szenen einer Ehe, Szenen, in denen Nero (prall und hinreißend durchgeknallt: Bruno Cathomas) seinem Wahnsinn mit viel Methode hegt und pflegt. Der Rest des Hofs, inklusive Gattin Octavia (hochexplosiv: Maja Schöne) und Hofdenker Seneca (Hans Kremer), versucht, sich irgendwie mit Neros Marotten und sich selbst ein Stückchen näher an die Macht zu arrangieren.

Überall im nur vage angedeuteten Palast sind Instrumente geparkt, um bei jeder Gelegenheit zu singen oder begleitet zu werden. Ein wahnwitziger Improvisationskeyboarder fingert flink alles Notwendige oder Gewünschte dazu. Die wenigsten der Schauspieler können im klassischen Sinne singen, erst recht nicht stilgerecht, das aber großartig. Insbesondere die jazzgeschulte Yelena Kuljic zieht als Poppea unmittelbar in ihren Bann, weil sie aus den Lamenti und Liebesschwüren der Vorlage Monteverdis sinnliche Flirts macht.

Öder Party-Smalltalk der antiken High Society wird in Rezitativform durch den Kakao gezogen, Zitate und Anspielungen aller Art - von Beethoven über Schlager-Titel bis zu Chansons, von Wagner bis zu Bigband-Riffs und atonal verdrehtem Durcheinander - verfremden gekonnt. Die Collagen fügen sich bis zum bitteren Ende zu einem neuen Ganzen zusammen, weil alles, was verhandelt wird, von zeitloser Aktualität ist. Von Originaltreue ist der kurzweilige Abend, der mit begeistertem Applaus endete, Welten entfernt. Dafür ist er viel origineller als die schlaff konventionellen Opern-Inszenierungen, die man schon viel zu oft absitzen musste.