Hamburg. Wer die Philharmoniker Hamburg bei ihrem Konzert im Michel nicht nur hören, sondern auch verstehen wollte, der hätte sich von der Decke herabseilen und gleich vor dem Orchester schweben müssen. Erkennen konnte man die Musiker auch kaum - nicht mal auf den privilegierten Plätzen gegenüber der Empore.

Carl Philipp Emanuel Bach mag noch so sehr in der Michel-Krypta begraben sein - ins neobarocke Kirchenschiff passte seine raffinierte Musik mit ihren winzigen Motiven und jähen Wendungen einfach nicht. Der Hall verschluckte vieles, keine einzige Auflösung war zu hören - so als ließe jemand immer das letzte Wort eines Satzes weg.

Was von Bachs Hamburger Sinfonien Nr. 5 und 6 ankam, reichte indes immer noch aus, um das Ohr zu erfreuen: Der Originalklangspezialist Alessandro De Marchi raute die Oberflächen bedrohlich auf und entlockte den Streichern die dynamischen Kontraste und das fadengerade, klare Spiel, ohne die diese hochempfindliche Musik endlos langweilig würde.

Joseph Haydns Sinfonia concertante B-Dur ließ ahnen, was Thomas C. Wolf (Violine), Olivia Jeremias (Cello), Nicolas Thiébaud (Oboe) und Christian Kunert (Fagott) an den hochvirtuosen Soloparts leisteten. Leider fügte sich Wolfs hochromantischer und mitunter brachialer Zugriff stilistisch nicht ein. Von Thiébaud und Kunert kamen weicher Wohlklang, der Tutti-Bläsersatz war nur als Wolke zu vernehmen.

Bei Musikern heißt die berühmte g-Moll-Sinfonie von Mozart die "große"; es gibt nämlich noch eine (auch ganz tolle). Die Große also machte ihrem Beinamen alle Ehre: De Marchi bürstete dieses Telefonwarteschleifenstück wunderbar gegen den Strich, mit flotten Tempi und knackigen Synkopen; er staute oder beschleunigte, dass ein regelrechter Sog entstand. Schade, dass die vielen liebevollen Details nicht besser zu verstehen waren. Auf Wiederhören in der Laeiszhalle.