In ihrem 55. “Tatort“ ermitteln die Münchner Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr in einer Justizvollzugsanstalt

Hamburg. Die beiden Herren aus München haben sich ein wenig verspätet. Ihr Gesprächspartner ist bereits am vereinbarten Treffpunkt, dem Literaturhaus am Schwanenwik, eingetroffen und macht sich Gedanken über die Sitzordnung. Sinnvoll wäre es, die zwei Bayern würden so sitzen, dass sie die Alster im Blick haben. Das Gewässer mitten in der Stadt hat noch jeden Hamburg-Besucher beeindruckt.

Und dann das: "Die Alster?" Udo Wachtveitl zieht gelangweilt eine Augenbraue hoch. "Kenne ich. In Hamburg habe ich ein halbes Jahr gelebt", sagt er. Das war in den 80er-Jahren. Damals hatte der Schauspieler ein Engagement am Thalia-Theater unter Intendant Peter Striebeck.

Bei Darstellern von Fernsehcharakteren, die schon sehr lange auf dem Bildschirm zu sehen sind, vergisst man schnell, dass sie auch ein Schauspielerleben neben der TV-Rolle führen. Wachtveitl beispielsweise, der als Münchner Kommissar Franz Leitmayr seit fast 20 Jahren im "Tatort" zu sehen ist, spielt nach wie vor Theater. Aber wie sein Kollege Miroslav Nemec, der als "Tatort"-Kommissar Ivo Batic zusammen mit Leitmayr ermittelt, wird er häufig auf die Rolle im ARD-Krimi reduziert - mitunter auch vom eigenen Sender: In ihren Rollen wirkten die beiden "so ,echt', dass man die Schauspielernamen fast vergisst", heißt es in einem Pressetext der ARD. "Man schaut sonntags einen Furtwängler-, einen Brückner- oder einen Milberg-,Tatort', aber einen mit Batic und Leitmayr."

Und tatsächlich ermitteln die beiden im schnelllebigen Medium Fernsehen schon eine Ewigkeit. Zwar lief ihr erster "Tatort" erst 1991. Da war Ulrike Folkerts alias Lena Odenthal schon zwei Jahre auf Sendung. Doch während ihre Kollegin vom SWR erst auf 50 Folgen kommt, waren Batic und Leitmayr schon 54-mal zu sehen.

Folge 55, "Die Heilige", die diesen Sonntag läuft, ist insofern etwas Besonderes, da sie zum Teil in einem real existierenden Gefängnis gedreht wurde. Zehn Tage standen Nemec und Wachtveitl in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim vor der Kamera. Möglich war das nur, weil gerade ein renovierungsbedürftiger Gefängnistrakt leer stand. Für das Filmteam galten dieselben Sicherheitsmaßnahmen wie für andere Gefängnisbesucher: "Wir mussten unsere Handys abgeben, und uns wurde eingeschärft nicht mit Gefangenen zu sprechen", erinnert sich Nemec. "Die Atmosphäre war schon sehr bedrückend", sagt Wachtveitl.

Das merkt man der düsteren "Tatort"-Folge auch an: Der Gefangene Nic Schuster (Sascha A. Gersak) hat einen anderen Häftling als Geisel genommen. Er will Batic und Leitmayr sprechen, die ihn einst ins Gefängnis brachten. Den beiden gelingt es, ihn zu beruhigen. Doch wenig später wird Schuster tot aufgefunden. Er hat sich den goldenen Schuss gesetzt. Schnell wird klar, dass ihm jemand zu reinen Stoff untergeschoben hat. Aber wer? Und wie hängt das alles mit dem zeitgleichen Ausbruch des Franco-Algeriers Hassan Adub (Medhi Nebbou) zusammen?

Die beiden Münchner "Tatort"-Kommissare machen zunächst ziemlich viel falsch. Irgendwie kommen sie stets zu spät. Keiner will mit ihnen reden - weder Häftlinge noch Anstaltspersonal. Im weiteren Verlauf treten sie immer mehr in den Hintergrund. Und so wird diese "Tatort"-Folge zur Bühne für Anneke Kim Sarnau. Sie spielt die Vollzugsbeamte Marie Hoflehner, die dem Ausbrecher Adub zur Flucht verholfen hat und auch sonst eine zentrale Figur der Geschehnisse in Stadelheim ist.

Nemec und Wachtveitl hatten anfangs so ihre Probleme mit dem Drehbuch von "Die Heilige". Nemec spricht von "Geburtswehen". Wachtveitl erwähnt "Unstimmigkeiten". Einige davon konnten die Schauspieler eliminieren, die manchmal selbst Einfluss auf das Skript nehmen. Aber nicht alle: So wird nicht erklärt, warum Leitmayr stets mit dem Rad nach Stadelheim fährt, während Kollege Batic, wie in anderen Folgen auch, den Dienstwagen nimmt. Des Rätsels Lösung: Kommissar Leitmayr lebt in München-Giesing, also in direkter Nachbarschaft des Gefängnisses. Der Zuschauer erfährt dies leider nicht. Aber abgesehen von solch kleineren handwerklichen Fehlern ist dieser "Tatort" ein spannender Krimi aus dem Gefängnismilieu, in dem besonders die famos spielende Anneke Kim Sarnau überzeugt.

Batic und Leitmayr werden dieses Jahr noch zweimal in einem "Tatort" zu sehen sein. Am 21. November ermitteln sie in "Unsterblich schön" in einem Schönheitsinstitut. Und am 19. Dezember geht es in "Nie wieder frei sein" um ein Vergewaltigungsopfer, dessen Täter freigesprochen wird. Irgendwelche Anzeichen von Amtsmüdigkeit lassen die beiden dienstältesten "Tatort"-Kommissare nicht erkennen.

Wieso auch? Ihre Rollen haben Nemec und Wachtveitl zumindest teilweise selbst gestalten können: "Ursprünglich sollte Batic vom Typ her dem Klischee des cholerischen Südländers entsprechen", sagt Nemec. "Leitmayr war dagegen mehr als Kopfmensch angelegt, der um die Ecke denkt", ergänzt Wachtveitl. "Diese Stereotypen haben wir abgeschliffen."

Da ist es für die beiden dann auch nicht ganz so schlimm, wenn sie mit ihren Rollen identifiziert werden. Mitunter tun sie das in ihrer Freizeit auch selbst: In der Vorweihnachtszeit treten sie öfters als BR-"Tatort"-Kommissare zusammen mit dem Schauspieler Michael Fitz, der bis 2007 als Kommissar Menzinger zum Münchner Ermittlerteam gehörte, bei Benefizkonzerten auf.