Kultursenator Reinhard Stuth ist zu Gast im “Kulturklub“, wo ihm Dilettantismus vorgeworfen wird

Hamburg. Dass eine frühere Kultursenatorin den Amtsinhaber öffentlich kritisiert, hatte bislang Seltenheitswert in der Hamburger Kulturszene. Doch Ausnahmezustände, wie sie seit einigen Wochen herrschen, provozieren Extreme. Nachdem Reinhard Stuth, bei einer "Kulturklub HH"-Abendveranstaltung etwa eine Stunde lang versucht hatte, Verständnis für seine schmerzhaft tiefen Etat-Einschnitte zu bekommen, brach es im Stage Club aus ihr heraus: "Ich habe den Eindruck, Sie brennen nicht für die Kultur", empörte sich Helga Schuchardt, von 1983 bis 1987 parteilose Kultursenatorin.

Und legte gleich nach, Stuths Politik sei "dilettantisch, das kann man gar nicht anders bezeichnen". Während ihrer ersten Haushaltsberatungen, beichtete Schuchardt, habe sie heimlich "gekotzt". Starker Tobak, das alles.

Doch die Ex-Senatorin war mit ihrem Unverständnis nicht allein im vollen Raum. Bei vielen Antworten auf die Fragen, die ihm Catarina Felixmüller (NDR) und Hans-Juergen Fink (Abendblatt) stellten, konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, ein Pudding erläutere gerade, wie man ihn am besten nicht an die Wand nagelt. Auf die Drohung des Schauspielhauses, wegen der geforderten Halbierung des künstlerischen Etats womöglich das Junge Schauspielhaus schließen zu müssen, entgegnete Stuth, dieses Argument überzeuge ihn nicht: "Das kommt mir wie eine vereinfachte Zuspitzung vor."

Vor wenigen Tagen erst hatte Stuth im Abendblatt-Interview zum Thema Generalintendanz für Schauspielhaus und Thalia erklärt: "Vorläufig kann und will ich nichts ausschließen, was möglich wäre." Jetzt meinte er dazu: "Sie werden keine einzige Äußerung von mir finden, wo ich gesagt habe, ich habe Sympathie dafür oder strebe sie an. Das ist interpretiert worden." Wieder verwies Stuth beim Berlin-Vergleich darauf, dass die Hauptstadt mit Geldern vom Bund "zugeschüttet" werde.

Zu der von vielen als realitätsfern empfundenen Rhetorik seines Regierungskollegen Frigge, der nicht verstehen mag, warum Staatstheater im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Musicalhäusern überhaupt Subventionen benötigen, meinte Stuth: "Finanzsenatoren sind wohl aus einem anderen Holz geschnitzt." Protestäußerungen, unter anderem von Lisa Kosok, Chefin der Stiftung Historische Museen, nahm Stuth zur Kenntnis. Von Stuth in Schutz genommen wurde auch die geplante Kulturtaxe, aus deren Erlösen die Mittel für große Ausstellungen erhöht werden sollen. Warum die erhofften zehn Millionen Euro nicht ganz und gar in die Kultur investieren, anstatt dort bei Bücherhallen oder Privattheatern zu kürzen? Stuth: "Weil es nicht möglich ist, von einem Teil der Stadt etwas zu nehmen, um in einem bestimmten Bereich damit Löcher zu stopfen."

Bei der Frage, ob man angesichts des Gegenwinds nicht beim Sparkonzept des Senats zurückrudern müsse, entgegnete der Kultursenator: "Nicht, was unseren Etat angeht." Und hätte er derzeit nicht den ganzen Ärger mit widerspenstigen Kulturmenschen, würde er sich eigentlich "viel lieber um den Denkmalschutz und Kunst und Kultur in der digitalen Welt kümmern". Die reale Welt an diesem Abend war und blieb verstört und verstörend.