“Tadellöser & Wolff“ im Altonaer Theater uraufgeführt

Hamburg. So stellt man sich die Kriegsjahre vor. Ein Überlebenskampf in Grau-Braun. Wohl dem, der eine Familie hat, die hart, aber herzlich gegen das Unausweichliche zusammensteht. Und ein Muttertier wie Margarethe Kempowski (großartig: Hannelore Droege), die kopfschüttelnd sagt: "Nein, wie isses nur möglich!" Der Schriftsteller Walter Kempowski hatte so eine Mutter. Farbig ist sie in seinen autobiografisch geprägten Roman "Tadellöser & Wolff" eingegangen, in dem er seine Jugend mit Eltern, Schwester und Bruder zwischen 1938 bis 1945 in Rostock beschreibt.

Intendant Axel Schneider ist in seiner Bühnenfassung für die Uraufführung am Altonaer Theater dicht an dem Buch geblieben. Bei der Leserschaft bewährte literarische Vorlagen für die Bühne zu bearbeiten ist derzeit beliebt. Bei diesem episodisch angelegten Roman, der eher Momentaufnahmen ohne dramaturgische Zuspitzung schildert, gestaltet sich die Übertragung auf die Bühne naturgemäß schwierig.

Für Spannung sorgt in dem präzisen Bühnentableau allein das authentische Zeitkolorit, das eine Familie der Individualisten und Macher vorführt, die sich plötzlich ein wenig ratlos dem Anpassungsdruck des Regimes ausgesetzt sieht. Wir erleben den recht forschen Rostocker Reeder Karl Kempowski (raubeinig: Jens Weisser), der "Tadellöser & Wolff" brüllt, wenn er mal einen richtig euphorischen Moment hat, was bei dem Grantler nicht allzu oft vorkommt. Die Familie führt der Patriarch mit Strenge, wenngleich seine Kunstsprache mit Kreationen wie "Klare Sache und damit hopp!" oder "Alles Mus und Grus" für Lacher sorgt.

Als er an die Front zieht, übernimmt seine Frau das Familienzepter. Und wie. Sie sorgt für Essen und Nestwärme im Schutzkeller. Karsten Kramer bleibt als Erzähler Walter Kempowski überwiegend die blasse Rolle des Beobachters. Mangels schulischer Disziplin wird er abwechselnd von seiner Klavierlehrerin oder der nicht minder despotischen Tante Anna (in beiden Rollen herrlich giftig: Kerstin Hilbig) gepeinigt. Weil Walter das Klavierspiel dann doch beherrscht, landet er in der Spielschar der Hitlerjugend. Schon früh von eher unauffälliger Renitenz, eckt er bei der Obrigkeit an, als er mit 15 Jahren 1945 als Kurier eingezogen wird - und das nicht nur, weil er sich partout nicht von seinem welligen Haar trennen will.

Im Bühnenbild in Grau-Braun (Ulrike Engelbrecht) zwischen dem etwas lieblos aufgereihten Mobiliar wechseln Momente des Dramas, wie der Luftangriff im April 1942, mit Familienintimität. Das Bemühen Axel Schneiders und seiner durchweg vorzüglichen Darsteller, die Ereignisse mit größtmöglicher Authentizität zu erzählen, mündet dabei zwangsweise in einen etwas biederen Naturalismus, in dem Ausreißer, wenn etwa die Klavierlehrerin im pädagogischen Überschwang auf ihrem Schützling stehend die Tasten bedient, immer wieder für Glanzmomente des Spiels sorgen. Genauso muss es gewesen sein. Damals.

Tadellöser & Wolff bis 7. November, Altonaer Theater, Museumstraße 17, T. 39 90 58 70; www.altonaer-theater.de