Die Songschreiberin Alin Coen spielt heute in der ausverkauften Prinzenbar. Mit Band präsentiert sie ihr neues Album “Wer bist du?“.

Prinzenbar. Auf den ersten Blick, ja, da ließe sich Alin Coen leichtfertig in die Elfenecke stellen. Die Augen blau und groß, das Gesicht schmal, der Teint blass. Doch eine solche Zuschreibung würde die Facetten der 28-Jährigen nur unzulänglich fassen. Wer sich mit der Musikerin unterhält, der entdeckt an ihr verspielte, schrullige, zarte und burschikose Seiten. Und diese Bandbreite, mit der sich das Leben fühlen und ausfüllen lässt, spiegelt sich auch in den Liedern ihrer soeben erschienenen Platte "Wer bist du?".

Im Spannungsfeld zwischen Pop, Folk und Jazz erwischt Coen ihre Hörer mitten auf der emotionalen Tiefebene. Ihre Texte, auf Deutsch und Englisch, erzählen klug und brüchig von all den Zwischenmenschlichkeiten, die so schwer zu fassen sind. Dass sich Nähe und Distanz in der Liebe selten die Waage halten, dass Schweigen in einer Beziehung die schlimmste Ohnmacht sein kann, dass die eigenen Erwartungen einem gepflegt ein Bein stellen. Im Song "Ich war hier" heißt es etwa: "Ich werd in meine Hand tätowieren:/Ich lass los/Ich will auch meinen Kopf formatieren/Er wehrt sich bloß." Wer Vergleiche mag, darf bei Coens Gesang an Feist oder Tori Amos denken, um diese Assoziationen sofort wieder zu verwerfen und sich frisch verzaubern zu lassen.

Eine Zuschreibung trifft auf Coen aber definitiv zu. Die gebürtige Hamburgerin ist, verstärkt durch ihre dreiköpfige Band, eine der besten jungen Songschreiberinnen des Landes. Schon ihr Auftritt jüngst bei der Lausch Lounge in der St. Katharinen-Kirche ließ Münder und Herzen offen stehen. Und auch in der Prinzenbar wird sie ihr Publikum heute wieder in dieses Gefühl versetzen, bei dem Schönheit und Schmerz ganz nah beieinanderliegen.

"Das ist ähnlich wie das, was bei einem Schauspieler passiert", sagt Coen über die Intensität, die sie sowohl im Proberaum als auch bei Konzerten spürt. "Ich versetze mich in dem Moment so sehr in die Musik, dass ich eins werde mit dem, was ich darstelle." Diese innige Verbindung ist bei Coen lange gewachsen. Mit sechs Jahren fing sie an, Klavier zu lernen, gefolgt vom Schulchor und (dem eher verhassten) Klarinettenunterricht am Albert-Schweitzer-Gymnasium. Doch die Initialzündung, sich tag- und nachtfüllend mit Komposition und Dichtung zu befassen, erlebte die Tochter einer deutschen Ärztin und eines mexikanischen Künstlers, als sie ihr Medizinstudium in Hamburg abbrach und für ein halbes Jahr nach Schweden zog. "Ich habe auf einem Ökobauernhof gewohnt und hatte viel Zeit, mich in mein Zimmer zu verkriechen, Gitarre zu üben und Lieder zu schreiben." Eine Abgeschiedenheit, die ein Schutzraum war, um die Kreativität frei schwingen zu lassen.

Auch in ihrer Wahlheimat Weimar lebt Coen in einer Atmosphäre, die zwar kultur-, nicht aber zwingend popaffin ist. In der Goethestadt, wo sie Umwelttechnik (zu Ende) studierte, fand sie nicht nur ihre Mitmusiker Jan Frisch (Gitarre), Philipp Martin (Bass) und Fabian Stevens (Schlagzeug), sondern organisierte auch Konzerte. Denn da spannende Popkünstler wie Wallis Bird oder Get Well Soon nicht von sich aus kamen, lud Coen sie kurzerhand ein. Dass mit "Pflanz einen Baum" nun auch ein eigenes Label gegründet wurde, um die Platte "Wer bist du?" zu veröffentlichen, überrascht da kaum noch.

Ob Popcamp in Bonn oder eine Kanada-Tour, die von der Initiative Musik gefördert wurde: Von Station zu Station hat die Alin Coen Band ihren ganz eigenen berührenden Stil entwickelt. Und doch sind die vier schon wieder auf dem Sprung. Tanzbarer soll die Musik werden. Elektronischer. "Wir sind sehr eigenständigkeitsbedürftig", sagt Coen. Wer also versucht, die Sängerin und ihre Musik in eine Schublade zu stecken, kann diese direkt offen lassen.