Rinaldo Alessandrini und sein Concerto Italiano spielen heute bei “Das Alte Werk“

Laeiszhalle. Es gibt keinen Fortschritt. Starke These. Es braucht schon einige gedankliche Offenheit, um dem tieferen Gehalt dieses Satzes auf die Spur zu kommen. Dazu gehört auch: Wer fortschreitet, wandelt sich. Für das, was er dazugewinnt, verliert er unweigerlich etwas anderes. Das kann man begrüßen oder bedauern, aber man kann es nicht leugnen.

Unmittelbar sinnfällig, genauer ohrenfällig ist das in der Musik. Noch jede Epoche, ja jede Region und jeder Komponist hatten eine eigene Tonsprache und Klangwelt, geprägt durch die ästhetischen, aber auch alltäglichen Vorbedingungen. Wie aufregend sich eine auf den ersten Blick homogene Epoche stilistisch verzweigt, das ist heute Abend beim ersten Abonnementkonzert der Reihe "NDR Das Alte Werk" in der Laeiszhalle zu erleben. Da entführen das Ensemble Concerto Italiano und sein furioser Gründer und Leiter Rinaldo Alessandrini - erstmals zu Gast beim "Alten Werk" und einzige auswärtige Mitwirkende am Festival "Hamburg Barock 2010" - ihr hanseatisches Publikum auf einen Rundgang in die italienische Barockzeit.

Beginnend beim frühbarocken Girolamo Frescobaldi, schlagen die Musiker einen Bogen bis zu Baldassare Galuppi, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wirkte. Alessandrini ist ein Virtuose darin, jedem Werk zu seinem individuellen Duktus zu verhelfen. Francesco Geminiani etwa setzte sich unbekümmert über die Regeln der Harmonik hinweg, Biagio Marini dachte sich Gemeinheiten wie umgestimmte Geigen aus - und Carlo Farina ließ in seinem "Capriccio Stravagante" gar einen ganzen Bauernhof los.

Bei der Interpretation stützt sich Alessandrini nicht nur auf seine akribische Kenntnis des Notentextes. Er bezieht auch biografische und politische Hintergründe mit ein, um derart zu entscheiden, wie Kontraste zu dosieren sind, wo die Musik ein wenig mehr Zeit braucht oder ein Ton ruhig mal hässlich klingen sollte.

Dass wir heute Musik verschiedenster Epochen reproduzieren und gegeneinanderhalten können, ist ein Luxus. Aber ist es auch tatsächlich ein Fortschritt? Hier würde womöglich sogar Rinaldo Alessandrini zustimmen. Ausnahmsweise.

Concerto Italiano heute, 20.00, Laeiszhalle (U Gänsemarkt), Johannes-Brahms-Platz, Karten zu 8,80 bis 29,70 unter T. 0180/178 79 80; weitere Infos zu der Reihe im Internet: www.ndr.de/orchester_chor/das_alte_werk/