RTL verwandelt die Ost-West-Liebesgeschichte “Westflug - Entführung aus Liebe“ in ein kitschiges Drama. Er läuft Sonntag im Fernsehen.

Das Gute an schlechten Filmen ist: Man erkennt sie meist am Titel. "Westflug - Entführung aus Liebe" ist so ein Titel. Er trifft den Kern der Sache, das schon, aber man ahnt schon beim Lesen der vier Wörter: Das könnten - trotz der spannungsheischenden Bezeichnung Event-Movie - zähe 100 Minuten werden. Der Film von Thomas Jauch (Regie), Sylke Rene Meyer und Timo Berndt (Buch) erzählt eine Ost-West-Liebesgeschichte in der DDR der 70er-Jahre. Nach einer wahren Begebenheit, wie es im Fernsehfachdeutsch so gern heißt und meint, der Zuschauer habe allein ob dieser Tatsache, Bitteschön, andächtig den Atem anzuhalten.

Sophie von Kessel, deren Auftritte ja in den meisten Fällen das Einschalten lohnen, spielt die alleinerziehende Mutter Anja, Kellnerin im Café Moskau. Zwei goldene Regeln hat sich die ansehnliche Blonde auferlegt: Nichts mit Gästen anfangen. Und nichts mit Wessis. Weil Regeln aber einzig dazu gemacht sind, sie zu brechen, sind die guten Vorsätze schneller dahin als die Schaumkrone auf dem frisch gezapften Bier. Denn da sitzt eines Abends dieser niedliche Typ mit der Wuschelfrisur und den Teddybärknopfaugen - und Koteletten waren zum damaligen Zeitpunkt auch noch nicht ausschließlich Zuhältern und Schlagersängern vorbehalten.

Michael heißt er und wird uns von Oliver Mommsen als Gentleman und zupackender Bauingenieur ans Zuschauerherz gelegt. Jedenfalls regnet es wie aus Eimern am Abend ihrer ersten Begegnung, und Michael wäre nicht er selbst, böte er nicht an, Anja in seinem Auto nach Hause zu kutschieren. Dabei lernen wir wenig später: Anja gehört nicht zu der Sorte Singles, die leicht zu haben sind. "Wie lange willst du denn noch auf den Richtigen warten?" fragt ihre Freundin, und Anja sagt: "Bis er da ist." So mögen wir sie, die Frauen im Hauptabendprogramm. Romantikerinnen wider besseres Wissens.

Eine halbe Stunde ist der Film alt, als Michael, inzwischen bis über beide Ohren verknallt, den verhängnisvollen Satz sagt, der die Handlung überhaupt erst in Gang setzt: "Ich hole euch hier raus." Die Stasi nämlich will den Kontakt des frisch gebackenen Paares unterbinden - aber da kennen sie Michael schlecht. Der macht Nägel mit Köpfen. Doch die Flucht misslingt, in Danzig ist Endstation, und die Republikflüchtigen sehen sich vor die Wahl gestellt: reumütig in den Schoß der DDR zurückzukehren oder alles auf eine Karte zu setzen. Der Titel, ohne zu viel verraten zu wollen, gibt zarte Hinweise darauf, wie sich die Figuren entscheiden.

Auch das ist das Gute an schlechten Filmen: Sie versuchen zumindest, das muss man ihnen lassen, den Zuschauer mit Detailwut und Ausstattungsfetischismus über den mauen Inhalt hinwegzutäuschen. Wir sehen Trabis und beigefarbenes Bürodekor, verklemmte, übereifrige Stasi-Mitarbeiter, die ständig irgendetwas vom "Klassenfeind" knurren. Die undankbarsten Rollen, die der deutsche Film zu vergeben hat, dürften neben NS-Schergen zweifelsfrei die grauen Stasi-Eminenzen sein. "Westflug" gibt sich redlich Mühe, die Messlatte, die einst "Das Leben der Anderen" recht hoch gelegt hat, durch noch mehr DDR-Authentizitätsgefühl zu überbieten. Es gelingt nicht.

Nicht unerwähnt bleiben darf auch eine Figur, die die tragische Komponente des Films besser verkörpert als der klägliche Rest: Jürgen (Hendrik Duryn), Anjas bester Freund, den schon sein Spitzname als Mann diskreditiert: Hase. Jürgen-Hase ist das schwarze Schaf des Films, ein Träumer, Sektpanscher und ewiger Junggeselle (obgleich unsterblich verliebt in Anja), mit dem man vielleicht ein Picknick plant, aber sicher nicht in den Westen kommt. Jürgen ist ein paar Nummern zu klein für eine Frau wie Anja, das ist sehr schnell klar. Wie er anrennt gegen diese Tatsache wie ein unermüdlicher Duracell-Hase - das macht den Film ein paar Szenen lang tatsächlich sehenswert.

"Westflug - Entführung aus Liebe" läuft am Sonntag, 26.9. um 20.15 Uhr bei RTL.