Hamburg. Als Hörstück nach Franz Kafka, als vielstimmigen Monolog bringt der Schauspieler Philipp Hochmair Kafkas Jahrhundertroman "Der Prozess" auf die kleine Bühne der "Zentrale" des Thalia-Theaters, ganz oben unterm Dach. Erstaunlich nah sitzen die zumeist jungen Zuschauer an dem Schauspieler, der die Geschichte des Bankprokuristen Josef K., der eines Morgens grundlos verhaftet wird, als kleines Kammerspiel und hinter einem Tisch sitzend vorträgt. Begleitet von unscharfen Dias und gelegentlichen metallischen Kratz-, Schab- und Scheuergeräuschen, liest Hochmair das Geschehen aus der Sicht des Angeklagten eindringlich und mit Verve.

Wie Josef K. sich immer weiter in Ablenkungen verliert, wie er dabei unter immer größer werdenden, undefinierbaren Bedrohungen leidet, kann man von bequemen Sitzen aus direkt aus Hochmairs Gesicht ablesen, das ins Schwitzen gerät. So sieht ein Mensch aus, der in Bedrängnis gerät. Doch dann lehnt er sich wieder süffisant zurück, kommentiert quasi seinen eigenen Gemütszustand und wirkt minutenlang wie befreit.

Hochmair hat Kafkas Roman 2004 als Hörbuch aufgenommen, 2008 kam die Inszenierung im Vestibül des Wiener Burgtheaters heraus. Auch gastiert hat Hochmair schon mit dem Stück. Kein Wunder, es erklärt wunderbar eindringlich, leicht und knapp die Bedrohlichkeit des Vorfalls, die Rätselhaftigkeit von Josef K.s Verhalten, die mangelnde Verständigung der Menschen untereinander, die mysteriösen Umstände und Gesetze. Die Geschichte von Täuschung und Unbegreiflichkeit wird in Hochmairs Darstellung handfest und realistisch. Ein schöner Vergleich mit dem opulenten Gastspiel "Der Prozess", das am Sonntag das Hamburger Theaterfestival einläutet.

Thalia-Zentrale Sa 25.9., 20.30 Uhr