“Hänsel und Gretel gehn Mümmelmannsberg“ hat Premiere

Schauspielhaus. Die Bezeichnung Skandalregisseur gefällt Volker Lösch nicht. "Ich provoziere keine Skandale, ich nehme Skandale gesellschaftlicher Art zum Anlass, Theater zu machen." In Hamburg thematisierte er 2008 Schieflagen der sozialen Gerechtigkeit, indem er einen Chor von Hartz-IV-Empfängern in die Inszenierung von "Marat, was ist aus unserer Revolution geworden?" frei nach Peter Weiss einband. Die Aufführung wurde 2009 mit einer Einladung zum Berliner Theatertreffen geadelt.

An diesem Sonnabend legt Lösch mit der Premiere von "Hänsel und Gretel gehn Mümmelmannsberg" im Schauspielhaus nach. Auf der Folie des Märchenklassikers erzählt er von der bundesweit größten Kinderarmut, die laut Erhebungen in Hamburg zu finden sei. Wie üblich spitzt er die Dinge plakativ zu. Erneut kombiniert der Regisseur Profi- und Laiendarsteller, montiert Originalprosa der Brüder Grimm mit Texten aus Gesprächen mit Eltern. Neben Ensemblemitgliedern stehen 20 Schülerinnen und Schüler im Alter von zwölf Jahren einer Gesamtschule in Mümmelmannsberg auf der Bühne. "Den Kindern fiel es schwer, damit umzugehen, dass ihnen viel Aufmerksamkeit gewidmet und Verantwortung übertragen wurde", sagt Lösch.

Entsprechend schwierig verliefen die Proben. Konnten sich die Jugendlichen zu Beginn kaum fünf Minuten konzentrieren, sind sie jetzt eineinhalb Stunden bei der Sache. Wie üblich spielt der von Einar-Schleef-Chorleiter Bernd Freytag eingeübte Chor eine wesentliche Rolle. "Das ist ein Kraft-, Gedanken- und Energiezentrum", sagt der Regisseur. Die älteste Theaterform aus der Antike repräsentiert die Volksmeinung, das kollektive Gedächtnis. "Für mich kann relevante Kunst nicht außerhalb eines Realitätsrahmens, außerhalb des Politischen stattfinden."

Den Auftrag, am Stadttheater zu arbeiten, nimmt der Regisseur ernst. "Ich finde es zwingend, Theater für die jeweilige Stadt zu erarbeiten mit Themen, die Bezüge zum Umfeld herstellen." Und da konstatiert er eine "unheilige" Entwicklung, in der die Gettoisierung fortgeschritten sei. Die jüngsten Kürzungsbeschlüsse am Schauspielhaus rufen bei ihm angesichts einer wachsenden Wirtschaft Kopfschütteln hervor: "Das ist, als ob man mit einer Axt einen Steinway-Flügel zertrümmert und danach behauptet, Gewinner dieser Aktion sei die Musik."

Hänsel und Gretel gehn Mümmelmannsberg Premiere Sa 25.9., 20.00, Schauspielhaus (U/S Hbf.) Kirchenallee 39, Karten zu 14,50 bis 52,50 unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de