Was Claude Monet malte, war die Verwandlung der Welt in schieren Malstoff. Nun zeigt eine große Ausstellung in Paris das Werk des Meisters.

Paris. Und wieder Sommer und rote Mohntupfen im Feld und Winter und blendender Schnee. Und wieder die verlöschenden Formen beim Blühen und Glühen, die blutenden Sonnen im nebligen Dunst. Wird man sich je müde sehen an den Strohhüten, am luftigen Batist, an den Bildern des Claude Monet? Jede Generation bekommt ihre Retrospektive. Und jede Retrospektive versammelt die ewig treuen Liebhaber und verwandelt die Nachgeborenen in neue Fans.

Jetzt ist es wieder so weit. Groß hat das Grand Palais in Paris das Bilderfest angerichtet, einen lückenlosen Werkdurchgang von den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts, als mit Strandbildern aus der Normandie und Dandys in aufgeräumten Gärten noch wenig Anerkennung und Auskommen zu ermalen war. Bis hin zur erstaunlichen Freiheit, mit der sich die monetsche Farbe aus ihrer Formgebundenheit löst und das Spätwerk zum Vorschein der großen Bildabenteuer des 20. Jahrhunderts macht. Und all die famosen Duftstoffe scheinen wie frisch in diesen Bildern enthalten: In ihrer Anschaulichkeit und Beschaulichkeit, in der ergiebigen Versorgung mit Sonne und schirmbedürftigem Strahlen, im Überschwang der nah besehenen Naturschönheit, vor der man zuletzt nicht mehr weiß, ob Monet seine Leinwand nicht einfach ins Wasser getaucht und gewartet hat, bis die Lilien auf ihr festgewachsen waren.

Man hat die weitläufige Ausstellung kaum betreten, gerät in den Bann der ersten Bilder, gemalt im Wald von Fontainebleau, im Frühjahr 1863, und steht schon vor dem unversteckten Geheimnis dieses Werks. Anders als bei den Landschaftsmalern des 19. Jahrhunderts, anders als bei Corot, Courbet, Millet oder bei den Deutschen Karl Blechen, Johann Wilhelm Schirmer, Ferdinand Georg Waldmüller ist es bei Monet so, als nähme er einen mit nach draußen und zeigte einem jenes sinnliche Ereignis, das Landschaft heißt. Schon diese frühen, arglos an der Tradition Maß nehmenden Bilder sind keine Landschaftsansichten, keine Prospekte, die man bloß vor sich hat. Es geht von ihnen eine enorme Verführung aus, sich ins Bild zu begeben, sich vorzustellen, wie es wäre neben dem Maler - ein paar Schritte nur weg von der wackligen Staffelei. Es ist wie ein Sog, der den Betrachterstandpunkt und den Malerstandpunkt zusammenzieht.

Es geht nicht mehr um Übersetzung der Welt ins Bild. Das ist die stille Revolution des Werks. Monet ist nie seinen Gegenständen gegenüber, er ist mittendrin, auf der Lichtung, umgeben von den Bäumen und den Blättern. Und was er malt, ist die Verwandlung der Welt in schieren Malstoff.

Ein Abenteuer wie Claude Monet seinen durch und durch modernen Blick im Wald von Fontainebleau, am Ufer der Seine, auf den Felsen der Normandie, im Nebel an der Themse, vor der Kathedrale von Rouen, im Garten von Giverny schärft, wie ihm dabei das Licht zur Metapher der Zeit wird, und wie er lernt, dass kein Bild der Welt die Welt wirklich hält, solange sie vom Licht, das nichts anderes ist als sichtbare Zeit, weiterbewegt wird.

Und weil das Licht ein Malerleben lang nicht erloschen ist, kennt das Werk auch das verlorene oder gefährdete Idyll nicht. Bei Monet herrscht ein Welteinverständnis, das den schönen Schein nicht erst konstruieren muss, um ihn dann zu entlarven. Dass es so etwas gibt, Empfinden, das an sich selber Freude hat, das macht diese Bilder zu den unsterblichen Wohlfühlbildern.